32 spannende Spiele, Millionen mit fiebernde Fans vor den Bildschirmen in der ganzen Welt, bis zu 18 Millionen allein bei uns, bei Spielen der Nationalelf, 800.000 ZuschauerInnen in den Stadien und Tausende beim Public Viewing - die Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland war ein dreiwöchiges Fest, wie es der Fußball der Frauen noch nicht erlebt hat.
Sie hat den Frauenfußball nach vorne gebracht. Mädchen- und Frauenfußball wurde durch die große Medienaufmerksamkeit viel bekannter. Auch das Bild eines eigenständigen Sports wurde geschärft. Wie bei anderen Sportarten setzt sich nun auch beim Frauenfußball eine eigenständige Bewertung der Leistungen von Frauen durch, unabhängig von den Leistungen der Männer. Die Popularität von Spielerinnen wurde um ein Vielfaches gesteigert, ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem eigenständigen Profifußball. Die Spielerinnen sind zu Vorbildern geworden. Frauen- und Mädchen können jetzt selbstverständlicher Spielen; sie müssen sich kaum noch erklären oder rechtfertigen, weil sie einen angeblichen „Männersport“ betreiben.
Auch die Analysen, Artikel und Veranstaltungen rund um diesen Sport, seine Strukturen, „Bilder“ und vermeintliche Normen haben vieles bewegt. Eine besondere Bedeutung hatten hier die „Gender Kicks 20Elf“ der Heinrich-Böll-Stiftung mit der Gegnerinnen-Aufklärung, mit Reportagen und Interviews zur Fußballkultur und Situation des Frauenfußballs in den WM-Ländern. Die Gender-Kicks waren Teil des ausgezeichneten Kulturprogramms der DFB-Kulturstiftung mit einer Deutschland-Tour in 12 Städten und Gästen aus Brasilien, Nigeria und Mexiko.
Erfolgreich war die Weltmeisterschaft aber nicht nur für den Frauensport, sondern auch für Umwelt und Klima. Mit dem Umweltprogramm Green Goal 2011 konnte gezeigt werden, dass eine Sportgroßveranstaltung klimafair und umweltfreundlich sein kann und was Fußball hier leisten kann. Bereits jetzt hat das Programm national und international Kreise gezogen, was mich besonders freut, weil ich Sprecherin des Umweltbeirats für die WM sein durfte: Der Weltfußballverband hat zugesagt, die Maßstäbe von Green Goal auch an künftige Sportgroßveranstaltungen anzulegen und im DFB wurde der Bereich Klima- und Umweltschutz in einer Nachhaltigkeitskommission institutionalisiert. Und konkrete Projekte sind auch schon auf dem Weg. Bereits Anfang 2012 konnte ich als Beauftragte des DFB für Umwelt- und Klimaschutz beim Startschuss für den DFB Umweltcup für die 26.000 Vereine dabei sein.
Im Alltagsgeschäft nach der WM gibt es ebenfalls nachhaltige Erfolge, etwa der Zuschauerrekord in der Bundesligasaison 2011/2012 mit knapp 35% mehr Fans in den Stadien. Und die Zahl der Fußballerinnen im Land steigt weiter an, auf einem schon ziemlich hohen Sockel von über einer Million Aktiven. Aber auch hier muss das Engagement weitergehen. Denn Spiele mit Rekordzuschauerzahlen wie das Championsleague-Finale der Frauen in München, das rund 50.000 im Stadion verfolgten, bleiben eindeutig die Ausnahme. Ich bin mir sicher: Es sind noch deutlich stärkere Zuwächse möglich, bis das Potential ausgeschöpft ist.
Auch die Medienberichterstattung wurde durch die WM nicht auf einen Schlag umgekrempelt. ARD und ZDF beschränken sich weiter auf Länderspiele und Fußballeventhighlights. Aber klar ist: Das Terrain ist bereitet, damit Tabellen der Frauen-Bundesliga in die Sportrubrik der Zeitungen normal sind und Zusammenfassungen von Spitzenspielen der Frauen zum Pflichtprogramm der Sportschau gehören.
Im DFB wird das Engagement weiter gehen, auch nach dem Ausscheiden des großen Förderers und leidenschaftlichen Fans des Frauenfußballs, Dr. Theo Zwanziger. Gut aufgestellt ist der DFB dafür: Mit der 2011 eingerichteten und von der DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg geleiteten Kommission Frauen-Bundesligen, mit der Kommission Nachhaltigkeit, in der Frauenfußball ein wichtiges Querschnittsthema ist, und vor allem mit der DFB-Direktorin und Weltmeisterin Steffi Jones, der ehemaligen Präsidentin des Organisationskommitees der Frauen-WM. Steffi ist die perfekte Botschafterin für Frauen-, Mädchen- und Schulfußball im DFB und im ganzen Land.
Aber auch die Politik sollte Frauen- und Mädchenfußball stärker als Handlungsfeld begreifen. Sie sollte das besondere gesellschaftliche Potential dieses Sports für den kulturellen Dialog und die Förderung von Integration und Chancengleichheit nutzen. Und natürlich sollte Politik sich zusammen mit anderen gesellschaftlichen Gruppen auch für eine stärkere Präsenz von Frauenfußball im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stark machen.
Ein Jahr nach der WM steht für mich fest: 20ELF hat neue Maßstäbe gesetzt. Der Impuls der Frauen-WM, wird den Frauenfußball noch lange beflügeln. Und unser Engagement für den Frauenfußball sowieso.
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Lizenz: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - CC BY-ND 3.0
ist Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Mitglied in der DFB-Kulturstiftung und Beauftragte des DFB für Umwelt- und Klimaschutz in der DFB-Kommission Nachhaltigkeit.