Stößt man ständig gegen die gläserne Decke, beginnen irgendwann die Kopfschmerzen. Viele Frauen kennen das: Endlich wird dir Akzeptanz in Aussicht gestellt. Doch: Wie lange ist lange genug?
Stößt man ständig gegen die gläserne Decke, beginnen irgendwann die Kopfschmerzen.
Viele Frauen kennen das: Endlich wird dir Akzeptanz in Aussicht gestellt. Schluss mit der Pseudoanerkennung und der Skepsis gegenüber deiner Kompetenz! Du musst nur zwei klitzekleine Bedingungen erfüllen: lang genug am Ball bleiben und natürlich gut genug sein. Doch: Wie lange ist lange genug? Wann bin ich und sind wir reif für die Akzeptanz?
Seit über zehn Jahren gebe ich als aktivistische Rapperin und rappende Aktivistin Interviews, spreche auf Podien und schreibe Dinge auf, die sich aus dieser Schnittmenge ergeben. Seit über zehn Jahren beobachte ich wie andere im HipHop tätige Frauen, die meist deutlich weniger oder gar nicht feministisch positioniert sind, immer wieder auf ihr Geschlecht zurückgeworfen werden und über alle Maßen genervt sind von der Frage, wie es denn so sei als Frau im Rap. Wieso will das noch wer wissen? Es ginge doch nur um Hiphop und Mädels müssten halt tougher werden. Dann liefe das schon. Andere ahnen, dass die weitestgehende Abwesenheit von weiblicher Sichtbarkeit durchaus etwas mit männlicher Dominanz zu tun hat. Auf journalistischer oder allgemein befragender Seite hat sich irgendwann eine Art Meta-Beschämtheit-Voyeurismus eingeschlichen: Man wisse ja, dass es längst keine Frage mehr sein solle. Aber, wie sei es denn nun so, als Frau im HipHop? Die Kolleg*innen haben dann das Problem, diese Frage-Scham adressieren zu müssen und sagen oft: Richtig, das ist Geschichte. Genau deshalb will ich ausschließlich über mein musikalisches Schaffen reden. Basta.
Aber so einfach ist es dann doch nicht. So nervig diese „Wie geht’s dir als Frau“ -Fragen sind, so lange es das Maker-Problem gibt, ist das Thema nicht durch. Und vielleicht ändert geduldiges Beantworten ja doch etwas in den Köpfen der Journalist*innen oder des Publikums. Vielleicht gibt es den Aha-Moment, wer weiß? Ich jedenfalls antworte auf die Frauen-Frage und ist sie noch so dröge, naiv und machtblind. Meine Antworten sind struktursensibel, radikal aber freundlich.
Entsprechend stellte ich mich bei der Veröffentlichung meines fünften Albums „Mortem & Makeup“ Mitte März auf die Frauen-Frage ein und hatte vorsorglich viel Geduld eingekauft. Aber ich muss sagen: In über 40 Interviews in linkspolitisch-feministischen, in HipHop-Kontexten sowie dem Feuilleton wurde ich überrascht: Die „Wie-es-denn-so-ist“-Frage kam nicht. Stattdessen ging es um Produktionsprozesse des Albums, thematische Bezüge zu Gegenwartspolitiken, das Verhältnis von autobiographischen und fiktiven Narrationen, Verläufen gesellschaftlicher Veränderung oder vereinzelt auch um meine Einschätzung zu möglichen Liberalisierungstendenzen im HipHop, was Heterosexismus anbelangt oder so. Nun ist ungeklärt für mich: Wird nicht mehr gefragt, weil die Frage so unhip ist oder Machtverhältnisse uninteressant geworden sind oder tatsächlich Frauen als Musiker*innen akzeptiert werden? Sind wir, wenn es um Frauen geht, bei der Anerkennung von Skills angekommen?
Trotz aller Hassliebe für strukturelle Kämpfe habe ich es unheimlich genossen nach über zehn Jahren zum ersten Mal vor allem über mein Release, über meine Musik sprechen zu dürfen. Gleichzeitig fanden auf journalistischer Seite Begriffe wie „queer“, „feministisch“ und „links“ ohne Ausspracheschwierigkeiten Verwendung. Selbst in bürgerlicheren Medien. Auch dass bei mir und auf der neuen Platte, „Links“, „antifaschistisch“ und „feministisch“ kein EntwederOder ist, wurde anerkannt, meistens. Nicht ob, sondern wie man als Mann feministisch sein könne, auch das sollte ich erklären. Oder man wollte ein Szenario von mir gegen den Rechtsruck. Welche musikalischen Empfehlungen ich aussprechen würde. Was mich beim Schreiben inspiriere. Kurzum: Ich wurde nach meiner Arbeit gefragt und was mir zur politischen Fragen einfällt. Das sollte selbstverständlich sein, ist es aber nicht. Aber vielleicht sind wir wirklich einen Schritt weitergekommen. Vielleicht ist Veränderung im Gange.