Seit er denken kann, rennt Kater an gegen die Einteilung in Mann und Frau. Er erzählt, wie es ist, in der Bundesrepublik die eindeutige Zuordnung zu einem Geschlecht zu verweigern. Und was er sich wünscht, damit es Trans* menschen wie ihm besser geht.
Wenn ich gefragt werde, wer ich bin, dann könnte ich erzählen, dass ich mich überwiegend vegan ernähre, drei Tätowierungen habe, Kampfsport mache und Tango tanze. Das alles ist für mich relevanter als die Frage, wo ich mich geschlechtlich einsortiere.
Ich sehe mich in erster Linie als Mensch. Danach kommt erst einmal gar nichts. Wenn ich mich unbedingt nach Genderaspekten einordnen müsste, dann würde ich sagen: Ich schwanke zwischen transmännlich und nichtbinär, also nicht ins Mann-Frau-Schema passend. Und ich schließe nicht aus, dass sich das nochmal ändert. Was das Pronomen betrifft, passt «Er» im Moment am besten. Es ist auch okay, kein Pronomen und nur meinen Namen zu verwenden.
Die Aufteilung in Männer und Frauen ist konstruiert, es sind für mich Labels, die Menschen nicht gerecht werden und die einschränken. Mir hat noch niemand überzeugend erklären können, was denn nun männlich ist und was weiblich. Dafür aber hat es eine riesengroße Bedeutung in dieser Gesellschaft. Und ich sehe nicht, dass das weniger wird. Im Gegenteil.
Im Sportverein: männlich oder weiblich. In den Geschäften: Männerabteilung, Frauenabteilung. In der Sprache: Sehr geehrte Damen und Herren. Sogar in der Kirche heißt es: Liebe Brüder und Schwestern! Ich dachte, gerade in der Kirche geht es um den Menschen. Ich habe mal eine Pfarrerin darauf angesprochen. Könne man nicht zum Beispiel «Liebe Geschwister» sagen? Sie hat nur mit den Schultern gezuckt. Ich habe aber gerade in der Kirche auch unerwartet gute Erfahrungen gemacht und dort Menschen getroffen, von denen ich mich gesehen und akzeptiert fühlte.
Ich wünsche mir Solidarität von der Gesellschaft. Dass sie unsere Probleme nicht belächelt oder kleinredet.
Es hat bittere Konsequenzen, nicht genderkonform zu leben. Es beeinflusst mein ganzes Leben. Nehmen wir den ganz banalen Alltag. Ich gehe nicht auf Toiletten, die nach Mann oder Frau aufgeteilt sind. Entweder trinke ich dann nichts oder entscheide mich gleich für Orte, in denen es genderfreie Toiletten gibt. An meinem Wohnort, einer Großstadt, kenne ich alle. Wer darüber lächelt, weiß nichts darüber, wie viele Trans* sich fühlen. Es ist einfach, als gäbe es uns nicht.
Gleichzeitig kann ich mir nicht aussuchen, wann und wo ich plötzlich Thema bin. Im Urlaub, am Strand, kam letztens ein Paar auf mich zu. Man frage sich bereits seit geraumer Zeit, was ich denn nun sei. Mann oder Frau? Als gäbe es in dieser Angelegenheit ein Grundrecht auf Auskunft. Wenn ich Menschen etwas länger kenne, kann ich durchaus etwas über mich erzählen. Aber den Zeitpunkt möchte ich, wie andere auch, selber bestimmen. Und lieber Fragen beantworten wie: Wer bist du? Was denkst du? Was fühlst du?
Ich nenne mich Kater, mein Vater hat mir diesen Spitznamen mal gegeben, als ich noch klein war. Damals gab es überhaupt kein Wissen darüber, keine Unterstützung für Transkinder wie mich. Viele hielten mich für einen Jungen, das fand ich gut so. Ich habe Fußball gespielt, mich auf dem Schulhof geprügelt und beim Baden Shorts getragen. In der Pubertät wurde es dann richtig schwierig. Bist du nun Frau oder Mann? Da ich irgendwo dazugehören wollte, habe ich mir lange Haare wachsen lassen, mich der weiblichen Norm mehr angepasst. Aber ich war nicht ich selber.
Seit 2010 trage ich wieder kurze Haare. Und vor allem bekenne ich mich zumindest privat zu meiner Genderidentität. Es geht mir etwas besser, aber nicht gut. Ich kämpfe mit so vielen Dingen: Wie wird mein berufliches Leben aussehen? Werde ich da auf Dauer ein Doppelleben führen müssen? Werde ich Kinder haben? Wie finde ich einen Menschen, der zu mir passt?
Früher, als ich als Frau gelesen wurde, war es zum Beispiel leichter, Frauen zu daten. Ich versuche es heute auch über Partnerschaftsportale, aber wenn die etwas hören von trans* oder uneindeutiger Genderidentität, bekomme ich oft keine Antwort mehr.
Ich habe Psychologie studiert, und schon während des Studiums bin ich aus einigen Seminaren rausgegangen, weil dort gängige Genderstereotype als gesund bezeichnet und Abweichungen davon entweder ignoriert oder pathologisiert wurden. Meine Lebensrealität kam da meistens gar nicht vor. Ich würde mir wünschen, dass im Psychologiestudium kritischere und differenziertere Sichtweisen von Geschlecht vermittelt würden. Zurzeit mache ich eine Ausbildung als Psychotherapeut mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie. Weil dort der Genderaspekt kaum eine Rolle spielt – anders als in der Psychoanalyse und der Tiefenpsychologie. Ich habe den Eindruck, dass bei beiden die Tendenz noch stärker ist, Menschen zu pathologisieren, die sich nicht genderkonform verhalten. Schwule Bekannte, die eine Ausbildung in Tiefenpsychologie gemacht haben, haben mir erzählt, wie schwer es für sie war, das auszuhalten.
Ich denke, dass es für alle Menschen befreiend sein könnte, weniger in diesen Schubladen zu denken. Das fängt ja schon bei der Geburt an. Ist es ein Junge oder ein Mädchen? Oft die allererste Frage, wenn ein Mensch geboren wird. Und bevor das kleine Wesen denken und selbst entscheiden kann, wie es leben möchte, hat es bereits Blau an. Oder Rosa. Wenn ihm nicht sogar Schlimmeres angetan wird. Viele intersexuelle Kinder werden ja nur deshalb operiert, um in das Mann-Frau-Schema zu passen! Andere haben für sie entschieden. Eltern, Ärzte, die Gesellschaft.
Dass das Bundesverfassungsgericht die aktuelle Regelung des Personenstandsgesetzes als verfassungswidrig eingestuft hat, freut mich sehr. Es könnte bedeuten, dass in Zukunft neben männlich und weiblich eine dritte Option angekreuzt werden kann. Das wäre auch als Symbol für uns sehr wichtig. Denn dann könnte nicht länger so getan werden, als gäbe es uns nicht. Ich selber würde allerdings eine solche dritte Option aus Angst vor Stigmatisierung im Moment noch nicht nutzen.
Von der Politik wünsche ich mir, dass wir als Gruppe anerkannt und vertreten werden. Zum Beispiel durch Aufklärungskampagnen und eine reformierte Schulbildung.
Außerdem brauchen wir einen Queer-Feminismus, der uns nicht ausschließt, sondern sich gegen Trans*phobie positioniert. Und obwohl sich viele Trans* als lesbisch oder schwul verstehen, ist Trans*phobie leider auch unter Lesben und Schwulen weit verbreitet.
Ich wünsche mir Solidarität von der Gesellschaft. Dass sie unsere Probleme nicht belächelt oder bagatellisiert, und dass Menschen, die sich im Zweigeschlechtermodell nicht wiederfinden, im Sprachgebrauch sichtbarer werden. Dass Trans* auch in Stellenausschreibungen explizit angesprochen werden, das könnte ihnen wieder Mut machen, sich zu bewerben. Ich wünsche mir, dass Menschen respektieren, dass Genderidentität etwas Persönliches ist und ich nicht überall darüber sprechen möchte. Ich wünsche mir, dass sie mich nicht nach meinem «richtigen» Namen fragen. Denn das impliziert, dass da irgendetwas falsch ist.
Kater möchte in diesem Text nicht identifiziert werden. Wer Kontakt zu ihm aufnehmen möchte, kann das per Mail über die Autorin tun.