Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation haben militärische Organisationen und Institutionen wie die NATO und die Bundeswehr einen Bedeutungswandel erfahren. Weil sie an Wichtigkeit verloren, entwickelten sie in der Folge ein neues vielfältiges Aufgabenfeld, um ihre Existenz zu legitimieren. Dadurch gewannen sie wieder an Definitionsmacht.
Ihre Aufgaben reichen heute von militärischer Intervention über die Schlichtung von Konflikten, die Überwachung von Menschenrechten und die Leistung humanitärer Hilfe bis hin zur gesellschaftlichen Reorganisation in Post-Konflikt-Ländern. Militärische Kräfte üben in den Einsatzgebieten nicht selten auch polizeiliche und zivile Aufgaben aus. Sie wirken damit auf das ökonomische und politische Leben ein und beeinflussen die Geschlechterverhältnisse in den jeweiligen Konfliktregionen. Inzwischen fordern die Truppen entsendenden Staaten und die UNO nicht selten von den militärischen Einsatzkräften, Ausgleich und Versöhnung ehemals verfeindeter Gruppierungen zu befördern.
Damit hat das Militär eine hohe auch symbolische Bedeutung in Einsatzgebieten und enormen politischen Einfluss auf die Gestaltung von Nachkriegsgesellschaften. Dies setzt Qualifikationen und Kenntnisse voraus, für die Militärs bisher kaum geschult werden. Regelmäßig ist die Frage der gesellschaftlichen Rolle von Frauen ein umkämpftes Terrain zwischen politischen, ethnischen, religiösen und kulturellen Gemeinschaften in Krisengebieten und somit Teil der Konflikte. Um konfliktreduzierend zu wirken und friedensfähige Strukturen zu schaffen, sind Kenntnisse über die sozialen, politischen und kulturellen Verhältnisse vor Ort notwendig sowie ein Wissen über Ursachen, Geschichte und Verlauf des Konflikts und über die Dynamik der Geschlechterverhältnisse.
SoldatInnen müssen geschlechterbewusst qualifiziert sein, um die einheimischen Frauen adäquat unterstützen zu können, damit sie gleichberechtigt an den aufzubauenden demokratischen Strukturen beteiligt werden. SoldatInnen müssen Prozesse fördern, sodass die Geschlechterverhältnisse und -bilder der Konfliktgesellschaft reflektiert werden und die Gender-Perspektive in friedensbildende Maßnahmen Eingang findet.
Neben dem Militär sind auch viele nichtstaatliche AkteurInnen in Krisen- und Konfliktregionen aktiv. Diese beiden Gruppen und ihre Arbeit vermischen sich teilweise. Einerseits übernehmen Militärs zivile Aufgaben in Konflikt- und Krisenregionen, andererseits arbeiten sie verstärkt mit zivilen Organisationen zusammen. Häufig fördern Staaten wie die Bundesrepublik gleichzeitig verschiedene Gruppen und betrauen sie mit Aufgaben. Das Problem: Die einheimische Bevölkerung kann zwischen den zivilen Helfern und den militärischen Interventionisten kaum noch unterscheiden. Siehe dazu „zivil-militärischen Zusammenarbeit“.
Angesichts dieser Ausweitung der Handlungsfelder des Militärs ergibt sich eine neue Konstellation. Viele zivile AkteurInnen stehen aufgrund ihrer eigenen Geschichte als WehrdienstverweigerInnen, FeministInnen oder PazifistInnen in kritischer Distanz zu den Militärs. Um konstruktiv kooperieren und gemeinsam zivile Konfliktbearbeitung voranzutreiben zu können, ist wechselseitige Akzeptanz aber Bedingung. Daher ist zunächst oft der Abbau von Vorbehalten notwendig.
Untersuchungen über die Auswirkungen von Friedenstruppen auf Zivilgesellschaften ergaben ein ambivalentes Bild. Einerseits schätzen nichtstaatliche Frauenorganisationen und Teile der Zivilbevölkerung deren Anwesenheit für die Stabilisierung des sozialen Lebens und die Entwicklung von Sicherheit oft hoch ein, zum Beispiel in Bosnien. Ebenfalls hoch akzeptiert sind Hilfeleistungen zum Wiederaufbau und zur Normalisierung des Lebens, die häufig Hand in Hand gehen mit zivilen Unterstützungsmaßnahmen. Positiv bewertet werden außerdem die Impulse für die örtliche Wirtschaft durch die Anwesenheit internationaler Truppen.
Zugleich existiert eine hohe Abhängigkeit lokaler Entwicklungen von der Geschlechterpolitik der militärischen Kontingente, die oft wenig reflektiert ist. Frauenorganisationen kritisieren häufig, etwa in Bosnien oder Kosovo, dass sie von Demokratisierungs- und Wiederaufbauprozessen weitgehend ausgeschlossen werden und nur beschränkten Zugang zu Ausbildungsprogrammen erhalten. Sie werden stattdessen auf „Frauentätigkeiten“ wie Frisieren, Stricken und Nähen verwiesen. Hier ist eine Umsteuerung dringend erforderlich. Siehe dazu „Gender Mainstreaming in Bosnien“
Die Anwesenheit von Militärs bringt zudem extrem negative Begleiterscheinungen mit sich: Prostitution, sexuelle Gewalt, Frauenhandel und die Zahl von HIV-Infektionen steigen nachweislich massiv an und beeinflussen den Aufbau einer geschlechterdemokratischen Gesellschaft negativ.
Das Fehlen von Gender-Kompetenz im Militär ist auch für eine Reihe weiterer Missstände verantwortlich. Bei Planung und Aufbau von Flüchtlingslagern spielen die Bedürfnisse von Frauen immer noch eine viel zu geringe Rolle. Frauen und Mädchen, die vielfach 70 bis 80 Prozent der Flüchtlinge stellen, fehlt oft ein sicherer Zugang zu Nahrungsmitteln, zu Wasser, zu sanitären Anlagen. In ungesicherten Waschräumen und Toiletten werden sie nicht selten von Männern belästigt und sogar vergewaltigt. Nach einem UN-Bericht nimmt auch in vermeintlich sicheren Lagern Gewalt weiter zu, durchschnittlich 80 Prozent der Frauen und Mädchen sind dort von sexualisierter Gewalt betroffen.
Um diesen Auswirkungen von Gender-Blindheit im militärischen Apparat entgegen zu wirken, fordern feministische Kritikerinnen innerhalb der herrschenden Logik geschlechtersensible Konfliktbearbeitung. Eine Lösung könnte der Aufbau einer UN-eigenen Truppe aus gemischtgeschlechtlichen Polizei- und Militäreinheiten sein. Sie sollte auf Basis von geschlechtersensiblen Konfliktanalysen intervenieren und über eine entsprechende Ausbildung verfügen, denn Soldatinnen innerhalb der Gewaltlogik des Militärs ebenso wie Soldaten können, wenn sie nicht adäquat gendersensibel trainiert und ausgebildet sind, auch zu Täterinnen werden. Ihr Einsatz müsste zudem an klare Kriterien und einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates gebunden werden, der nur dann zugunsten einer solchen Intervention erfolgen darf, wenn alle anderen Mittel der Politik, der Diplomatie und der zivilen Konfliktprävention ausgeschöpft sind. Dies löst zwar nicht das grundsätzliche Dilemma pazifistischer Feministinnen, weist aber einen realpolitischen Weg. Siehe dazu „Soldatinnen als Täterinnen“.