Die friedenspolitische Herausforderung der Zukunft liegt darin, wie der gewaltfreie Umgang mit Differenzen auf Dauer sichergestellt werden kann, national wie international. Drei grundlegende Dilemmata müssen in friedenspolitischen Konzepten bearbeitet werden: das „Gleichheitsdilemma“ (Gleichbehandlung von Ungleichem führt zur Fortschreibung von Ungleichheit), das „Differenzdilemma“ (ungleiche Behandlung von Differenz führt zur Festschreibung eben der diskriminierten Differenz) und das „Identitätsdilemma“ (Gruppenidentitäten produzieren Ausschlüsse des Nicht-Identischen). Insofern schließen wir uns dem Fazit von Mary Kaldor in ihrem Buch zu den „Neuen Kriegen“ an: „Der Politik des Ausschlusses gilt es alternative, zukunftsorientierte, kosmopolitische Maßnahmen entgegen zu setzen, die die Kluft zwischen Globalem und Lokalem überwinden und Legitimität auf der Grundlage demokratischer, auf Einbeziehung zielender Werte neu aufbauen.“
Friedenspolitische AkteurInnen müssen sich dieser Widersprüche und Ungleichzeitigkeiten bewusst sein, wenn sie gewaltvolle Verhältnisse in friedfertige umwandeln wollen. Dazu gehört es, Demokratie so zu verstehen, dass Differenz sein darf, ohne dass sie zur biologischen und sozialen Festlegung von Geschlechterrollen und zum Ausschluss bestimmter Gruppen führt und somit deren Menschenrechte verletzt. Dafür ist ein sorgfältig gepflegter politischer „space between us“ notwendig – so das Ergebnis einer Studie von Cynthia Cockburn über die Zusammenarbeit von Frauen in Israel/Palästina, Zypern und Nordirland.
Diese Frauengruppen betonen die Differenz untereinander und überdecken sie nicht, sie gehen mit den politischen Differenzen in der Gruppe offensiv um, sie vermeiden Festlegungen von Frauen und Männern auf vermeintlich natürliche Eigenschaften, sie vermeiden Polarisierungen, sie anerkennen das im Namen von ethnischen Ausschlüssen geschehene Unrecht, sie geben sich klar definierte Ziele. So wird der Gruppenprozess zum Ort der Schaffung eben dieses demokratischen Raumes, wie Cockburn schreibt: „Man muss sich ernsthaft darum bemühen, eine angenehme demokratische Beziehung zu schaffen, zwischen Individuen in einer Ehe, zwischen Vereinigungen in einer multikulturellen Stadt, zwischen Nationen, die sich eine Welt teilen. Dieser Raum muss den optimalen Abstand bieten für Unterschiede, klein genug, um gegenseitiges Kennenlernen zu gewähren und Mythen zu widerlegen, aber groß genug, um sich wohl zu fühlen. Er muss Schutz bieten gegen das Zusammenbrechen, den Ausbruch von Differenzen durch Vergewaltigung, Mundtotmachen oder Vernichtung. Aber er muss auch flexibel genug sein, Differenzen zulassen zu können, ihre Form und Bedeutung zu verändern.“
Es ist dieser „Raum zwischen uns“, der die anspruchsvolle und zugleich unabdingbare Voraussetzung für geschlechtergerechten Frieden darstellt. Er ist gerade unter Bedingungen der Eskalation nur unter Mühen aufrecht zu erhalten, doch diese Mikroprozesse sind die Basis einer demokratischen, geschlechtergerechten und gewaltlosen Konfliktkultur. In ihre Förderung und Pflege müssen Ressourcen fließen, damit opferreiche, gefährliche und kostspielige Militäroperationen als Mittel der Konfliktbearbeitung gar nicht erst nötig werden.