Die Geschlechterperspektive ist eine zentrale Kategorie und wichtiger Faktor für die Nachhaltigkeit politischer Strategien zur Konfliktprävention und -bearbeitung. Sie muss in alle Überlegungen, Dokumente und Konzepte einfließen und von allen Beteiligen ernst genommen und berücksichtigt werden. Unabdingbare Voraussetzung ist, dass geschlechterdifferenzierte Daten für die Konfliktanalyse verwendet werden.
Grundsätzlich fordern wir, dass die Geschlechterperspektive als zentrale Kategorie für die Nachhaltigkeit von Konfliktbearbeitung in alle Dokumente und Konzepte einfließt und von allen Beteiligten ernst genommen wird. Die Verwendung geschlechterdifferenzierter Daten, insbesondere für die Konfliktanalyse, ist hierbei unabdingbare Voraussetzung.
Glaubwürdige und geschlechtergerechte Wege in der Konfliktprävention, Friedens- und Sicherheitspolitik können nur erfolgreich beschritten werden, wenn entsprechende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet eine erhebliche Steigerung der Mittel für zivile Krisenprävention zu Lasten der militärischen Aufrüstung bzw. der Verteidigungshaushalte. Andernfalls bleiben Instrumente wie nationale Aktionspläne bloße Absichtserklärungen. Im Einzelnen bedeutet dies die Erstellung eines Gender-Aktionsplans, der folgende Punkte umfassen muss:
I. Grundsätzliche Forderungen für die Außen- und Sicherheitspolitik:
1. Prävention statt Intervention, zivile Maßnahmen statt militärischer Maßnahmen.
2. Die Verwendung eines Sicherheitsbegriffs, der sich an einem Verständnis von „Human Security“ und den Menschenrechten orientiert, das die Geschlechterdimension integriert.
3. Die Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen in friedens- und sicherheitspolitische Überlegungen, Konzepte und Maßnahmen. Dazu gehört auch die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen an Diskussion und Entscheidung über Nachkriegsregelungen
4. Die Entwicklung eines Geschlechter-Index für den Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik: Hier geht es um Kriterien für einen geschlechtersensiblen Sicherheitsbegriff, für die Feststellung von Gewalt gegenüber Frauen sowie um die Beteiligung von Frauen in Missionen und an Demokratisierungsprozessen
5. Die regelmäßige Erhebung und grundsätzliche Verwendung von geschlechter¬differenzierten Daten, zum Beispiel für Konflikt- oder Akteursanalysen.
6. Die regelmäßige Organisation eines internationalen Expertentreffens über kriegsbedingte sexualisierte Gewalt.
II. Notwendige Maßnahmen in Krisen-, Konflikt- und Nachkriegsregionen:
1. Die Verankerung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Friedensverträgen und Nachkriegsverfassungen, unter anderem durch Frauenquoten.
2. Die umfassende Durchsetzung von Gender Mainstreaming in allen friedensbildenden Maßnahmen in Krisengebieten
3. Die Einrichtung von Instanzen zum Menschenrechts-Monitoring in Nachkriegs¬gesellschaften.
4. Trauma-sensible medizinische und psychosoziale Unterstützung für Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt, die insbesondere die Potenziale von Frauen und Mädchen stärkt
5. Reintegrationsprogramme für Ex-KombattantInnen, die die beteiligten Männer und Frauen bei ihrer Wiedereingliederung ins zivile Leben unterstützen.
III. Forderungen, die im Kontext der UN-Reform umgesetzt werden müssen:
1. Die Aufwertung und Stärkung frauenpolitisch relevanter Institutionen im UN-System durch Zusammenfassung in einer neuen frauenpolitischen UN-Entität.
2. Eine stärkere institutionelle Verankerung von Krisenprävention im UN-System, die vorbeugendes Handeln ermöglicht.
3. Die Verabschiedung eines klaren, verbindlichen, explizit an Menschenrechten orientierten Kriterienkatalogs für den Einsatz militärischer Gewalt als allerletztem Mittel, wie im Rahmen des Konzepts von „Responsibility to Protect“ definiert
4. Einrichtung einer Monitoring-Stelle in geeigneter Position innerhalb des UN-Systems, die die Umsetzung der Resolution 1325 unter Hinzuziehung von NGOs und RepräsentantInnen der Zivilgesellschaft überwacht
5. Die Entwicklung von Standards, klarer zeitlicher Vorgaben und eines Kriterienkatalogs zur Bewertung der Umsetzung der UN-Resolution 1325. Hierzu gehört eine präzise Definition, was „angemessene“ Beteiligung von Frauen in verschiedenen Ländern bedeutet; wonach zu beurteilen ist, ob eingeleitete Maßnahmen im Sinne der Resolution erfolgreich waren etc., sowie die gezielte Förderung der Bereitschaft zur Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse
6. Eine ergänzende Regelung zur UN-Resolution 1325, nach der in allen Funktionen und Positionen in Friedensprozessen mindestens 40 Prozent Frauen beteiligt werden müssen, sowie die Berücksichtigung dieses Prozentsatzes in allen Führungs¬positionen der UN.
7. Die Einrichtung von Pools nationaler und internationaler genderkompetenter ExpertInnen zur Umsetzung von Resolution 1325 in Nachkriegsländern.
8. Die Bildung eines UN-Trust Funds für die Unterstützung von Friedensaktivistinnen in aller Welt
9. Die Entsendung von UN-BeobachterInnen in Nachkriegsregionen zum Monitoring des Nachkriegsprozesses und der humanitären Situation
10. Die konsequente Umsetzung vorhandener Verhaltenskodizes sowie die strenge Ahndung von Verstößen, zu denen auch der Missbrauch oder die Ausbeutung der lokalen Bevölkerung durch UN-Mitglieder gehört
11. Die konsequente Umsetzung von Resolution 1820 mittels Monitoring, jährlichen Umsetzungsberichten und nichtmilitärischen Sanktionen gegen Länder, in denen sexualisierte Kriegsgewalt stattfindet.
IV. Auf EU-Ebene muss umgesetzt werden:
1. Die Bindung jeglicher (militärischer) Einsätze von EU-Truppen an ein UN-Mandat.
2. Die Einrichtung einer Abrüstungsagentur bzw. einer Agentur zur zivilen Konfliktprävention und der Verzicht auf den Aufbau der geplanten Verteidigungsagentur
3. Die Bildung eines festen Haushaltspostens für unbürokratische Soforthilfe für traumatisierte Frauen und Mädchen, Männer und Jungen in bzw. aus Krisengebieten, die in die Bundesrepublik oder ein EU-Land flüchten.
V. In Deutschland muss umgesetzt werden:
1. Die Bundesrepublik verfolgt konsequent einen Menschenrechtsansatz. Regierungen, die systematische Frauenrechtsverletzungen begehen, werden unverzüglich – in enger Abstimmung zwischen Außen- und Wirtschaftsministerium – mit allen diplomatischen Mitteln auf diese Missstände hingewiesen. Gegebenenfalls wird auf wirtschaftliche Beziehungen verzichtet.
2. Die Haushaltsmittel für eine geschlechtergerechte zivile Konfliktprävention und -bearbeitung (u.a. für die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans „Zivile Krisenprävention“) werden für eine glaubwürdige Friedenspolitik in Relation zum Verteidigungshaushalt deutlich aufgestockt
3. Die Vergabe von Mitteln für Entwicklungshilfeinstitutionen, die in Kriegs-, Krisen- und Nachkriegsregionen arbeiten, wird an ihre nachgewiesene Geschlechterkompetenz geknüpft.
4. Es sind Zweijahresberichte zur zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung vorzulegen, die detailliert Aufschluss darüber geben, wie die Ministerien der Bundesregierung die Ziele und Empfehlungen des Aktionsplans „Zivile Krisenprävention“ umgesetzt haben. Bei Nichteinhaltung von Vorgaben werden die Gründe benannt und genaue Maßnahmen zur unverzüglichen Realisierung eingeleitet.
5. Geschlechtersensible Studien zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik und der Bedingungen in den einzelnen Ländern werden systematisch gefördert
6. Zur durchgängigen Umsetzung der UN-Resolution 1325 wird unverzüglich ein nationaler Aktionsplan aufgestellt. Zur zügigen Realisierung werden nationale und internationale Expertentreffen unterstützt und entsprechende Netzwerke angemessen gefördert
7. Die Umsetzung der Resolution 1325 wird durch eine nationale Monitoring-Stelle überwacht. Zum Monitoring sind zivilgesellschaftliche Gruppen hinzuzuziehen
8. Angehörige von Bundeswehr und zivilgesellschaftlichen Organisationen im Dienste der Bundesrepublik werden nur dann in Auslandseinsätze entsandt, wenn sie nachweislich Genderkompetenz einbringen können. Der Anteil von Frauen in Friedenstruppen (und allen anderen in diesem Zusammenhang relevanten Aufgabengebieten) wird auf 40 bzw. 50 Prozent erhöht.
9. Die von der UN-Unterabteilung für Peace-Keeping (DPKO) entwickelten Materialien für die nationale Vorbereitung auf Auslandseinsätze werden durchgängig genutzt; die gleichstellungsorientierte und genderkompetente Gestaltung der Aus- und Fortbildung für militärisches, polizeiliches und ziviles Friedenspersonal wird sichergestellt. Insbesondere der Einsatz ziviler FriedensexpertInnen wird gefördert und verstetigt. Die Evaluation aller Aus- und Fortbildungsangebote unter Gender-Aspekten wird sichergestellt
10. Konsistente Gegenstrategien gegen sexualisierte und häusliche Gewalt in Krisengebieten und Nachkriegsgesellschaften sind zu entwickeln. Ihre Vernetzung mit entsprechenden Initiativen im Inland (zum Beispiel für Bundeswehr-SoldatInnen) wird gefördert.
11. Jeder Verstoß von Bundeswehr-SoldatInnen bzw. von Militärs und Angehörigen ziviler Missionen im Auslandseinsatz gegen Verhaltenskodizes und Gesetze, und insbesondere bei sexualisierter Gewalt, wird streng geahndet.