Aus vielen Regionen der Welt, aus Analysen und Berichten wissen wir, dass Massen- und Gruppenvergewaltigungen zur Zurichtung von Kämpfenden und damit als Kriegsstrategie benutzt werden, die in brutalsten Gewaltexzessen bis hin zu Morden enden können. Diese Verbrechen werden von Rebellen und Partisanen, Terroristen, aber auch von Befreiungskämpfern und staatlichen Truppen, also regulären Armeen verübt. (Ich benutzte hier bewusst die männliche Form, auch wenn Frauen teilweise involviert sind, in der Regel aber nicht gleichermaßen.)
Für die Opfer bzw. Überlebenden haben diese Übergriffe meist unterschiedliche Auswirkungen. Oft wirken sie sich bei Frauen anders als bei Männern aus. Viele sind extrem traumatisiert, ohne in der Regel diese Traumata aufarbeiten zu können. Vor allem bei Männern, aber nicht nur bei ihnen kommt dazu, dass sie häufig nicht nur zu Opfern, sondern auch zu Tätern geworden sind – (vgl. hierzu die Ergebnisse des GWI-Fachgesprächs zu Militarisierter Männlichkeit in (post-)Konfliktregionen vom Mai 2011). Ohnehin hinterlassen die Kriegserlebnisse insgesamt, und die Verrohung durch solche besonderen Gräueltaten tiefe Spuren, die auch in der Postkonfliktphase weiter wirken. Sie haben auf unterschiedlichste Art und Weise bei Frauen wie Männern, bei Opfern wie Tätern und auf die gesamte Nachkriegs-Gesellschaft und ihr Zusammenleben Einfluss. Ein Aspekt davon ist, dass Frauen und Kinder in ihrer familiären Umgebung, durch die zurückgekehrten Kämpfer, Väter oder andere Verwandte, besonders oft häusliche Gewalt erleben.
Dennoch wird dies bei der Aufarbeitung der Konflikte und der Bewältigung der Vergangenheit in der Regel kaum einbezogen.
In den letzten Jahren haben Transitional Justice Konzepte zur Aufarbeitung der konfliktreichen Vergangenheit von Gesellschaften an Bedeutung gewonnen. Sie werden vielfach gerade auch bei Friedensforschern und Politiker_innen als Mittel der Friedenssicherung hervorgehoben.
Dem gegen über haben vor allem Friedensaktivistinnen und feministische Wissenschaftlerinnen problematisiert, dass die Art, wie die Transitional Justice Instrumente verhandelt und angewandt werden, gerade den Überlebenden sexualisierter Gewalt weder Frieden noch Gerechtigkeit bringen, dass diese Thematik oft sogar – wie in manchen Wahrheits-und Versöhnungskommissionen – ausgespart bleibt.
Dadurch werden auch existentielle Notwendigkeiten, wie medizinische Versorgung, materielle Unterstützung, Beratung und auch Schutz gerade der Frauen und Mädchen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, kein Thema. Und es wird dann natürlich auch nicht mit verhandelt, wie mit den Täter_innen umzugehen ist.
Umstritten ist aber unter den verschiedenen Expert_innen, Politiker_innen, Friedens-aktivist_innen, wie weit zu gesellschaftlicher Aussöhnung notwendig dazu gehört, die vergangenen Verbrechen aufzudecken, und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, um so den früheren Opfern Genugtuung widerfahren zu lassen und ihre Würde wieder her zu stellen.
Ziel des Fachgesprächs:
Nach nun fast insgesamt 20 Jahren Thematisierung der Probleme und Auswirkungen sexualisierter Kriegsgewalt und der Erfahrungen mit Versöhnungs- und Wahrheits-kommissionen, mit nationalen und internationalen Rechtsnormen und ihrer Anwendung möchten wir nun kritisch Bilanz ziehen:
- Was wurde erreicht, mit den verschiedene Transitional Justice Instrumente und Methoden?
- Was leisten sie, welche Potentiale bieten sie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalterfahrungen einerseits, zur Verfolgung der Täter_innen andererseits?
- Was ist notwendig, um nachhaltige gesellschaftliche Aussöhnung zu erreichen, wie müsste die Perspektive der Überlebenden sexualisierter Gewalterfahrung anders angemessen einbezogen werden? Wie können wir das erreichen?
Erste Ergebnisse und Erkenntnisse hierzu lieferten bereits die Konferenz des Gunda-Werner Instituts zum zehnjährigen Jubiläum der UN Res. 1325 im Oktober 2010 sowie das Fachgespräch Militarisierte Männlichkeit in (Post-) Konfliktregionen Mai 2011. Wir knüpfen mit diesem Fachgespräch an beides an. Dabei war sowohl der Frauensicherheitsrat Kooperationspartner, als auch das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).