In ihrem Artikel “Mainstreaming gender in the EU in times of crisis: scholarly developments and policy challenges”[1], der in Perspectives on Europe, Rat für Europäische Studien an der Columbia University, im Frühjahr 2013 erschienen ist, behauptet Emanuela Lombardo, dass – obgleich sich die Europäische Union seit den 1990er Jahren offiziell dazu verpflichtet hat, das Thema Gender in allen Politikfeldern fest zu etablieren - die Umsetzung von Gender Mainstreaming „problematisch oder ineffektiv“ sei.
Sie bekräftigt, dass “die verfassungsgebenden Prozesse der EU – obgleich sie den Schutz von Geschlechtergleichstellung fördern – es nicht vermocht haben, die Prinzipien des Gender Mainstreaming, die in bestehenden Gesetzen der EU verankert sind, auf ihre eigenen politischen Entscheidungen effektiv anzuwenden“. Insbesondere durch die makroökonomische Politik der Union werde die Kluft zwischen dem Prinzip des Gender Mainstreaming und seiner Umsetzung augenfällig. In ihrer Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa habe die Europäische Union politische Maßnahmen ergriffen, die Geschlechtergleichstellung „drängenderen“ wirtschaftlichen Prioritäten unterordnet. Die Arbeit von Bettio et al. habe laut Lombardo gezeigt, dass die Haushaltskonsolidierungspolitik der EU sogar gegen Geschlechtergleichstellung arbeitet. Das führe dazu, dass das Thema Gender in keiner der Krisenmaßnahmen der Nationalen Reformprogramme der 27 EU-Mitgliedstaaten von 2011 etabliert wurde, weder in der Politikgestaltung noch in der –umsetzung.
Trotz dieser Schwierigkeiten sieht Lombardo “Raum für einen Geschlechterwandel”, den sie insbesondere in den weichen politischen Instrumenten zu erkennen meint, wie z.B. in der Hinterfragung von Geschlechternormen beim sozialen Lernen oder im Rahmen von Gendertrainings für das Personal der Europäischen Kommission. Für Lombardo ist „eine effektive Etablierung des Themas Gender in allen Politikfeldern entscheidend, um das europäische Sozial- und Gendermodell vor der Deregulierung zu retten; ein Modell, das während der Jahre der europäischen Integration aufgebaut wurde“. Dazu brauche man, wie Sylvia Walby auf der Dritten Europäischen Konferenz zu Politik und Gender des ECPR sagte, eine „alternative, feministische Vision für die EU Finanz- und Wirtschaftspolitik“.
[1] “Das Thema Gender in der EU in Zeiten der Krise fest etablieren: wissenschaftliche Entwicklungen und politische Herausforderungen“
Link zur Zeitschrift und Titelseite:
http://ingentaconnect.com/content/ces/poe/2013/00000043/00000001/art00008
http://councilforeuropeanstudies.org/files/Perspectives/Spring2013/s1_coverTOC.pdf