Weltgipfel gegen sexualisierte Kriegsgewalt in London: Globale Kampagne für Frauen an den Friedenstischen gestartet
London, im Juni 2014. „Das war ein Gipfel, wie es ihn noch nie gab“, formulierte der britische Außenminister William Hague am Ende des Weltgipfels zur Beendigung sexualisierter Kriegsgewalt in einem Londoner Messezentrum mit stolzer Haltung. Und in der Tat ist es Hague auch dank des Glamours der hier sehr engagierten Hollywoodschauspielerin Angelina Jolie gelungen, Kriegsvergewaltigungen von einem Rand- zu einem zentralen Thema der internationalen Gemeinschaft zu machen. „Sexualisierte Kriegsgewalt ist eine der größten heutigen Ungerechtigkeiten“, so Jolie angesichts der Stigmatisierung der Überlebenden und der Straflosigkeit der meisten Täter.
Insgesamt rund 1.700 Delegierte waren fünf Tage lang zusammengekommen, darunter 79 Minister_innen aus 179 Ländern, Chef_innen von acht UN-Abteilungen, die Chefanklägerin des Internationalen Gerichtshofes ICC, Mitglieder weiterer Tribunale, Militärs, Polizist_innen und Aktivist_innen. Deutsche Minister ließen sich in London allerdings nicht blicken. Parallel zum Gipfel der Regierungsdelegationen hatten zivilgesellschaftliche Gruppen aus aller Welt ein aufwendiges Rahmenprogramm mit Diskussionen, Ausstellungen, Theater, Musik und Performances organisiert.
Internationales Protokoll
Auf einem dieser Events stellten William Hague und Angelina Jolie gemeinsam ein Internationales Protokoll zur Dokumentation und Strafverfolgung sexualisierter Gewaltakte vor. Das Protokoll ist ein unter Mitarbeit vieler NGOs und Rechtsexpert_innen erstelltes umfassendes Regelwerk, etwa zu der Frage, wie Überlebende ohne Gefahr der Retraumatisierung interviewt werden können, um die Verbrechen an ihnen zu dokumentieren. Das Protokoll wurde von einem Großteil der anwesenden Regierungsdelegationen unterzeichnet.
Auf einer anderen Veranstaltung reflektierte Monika Hauser, Alternative Nobelpreisträgerin und Gründerin der Frauenhilfsorganisation medica mondiale, die Bedingungen für eine nachhaltige psychosoziale Versorgung von Überlebenden. „Ich bin mehr als mein Trauma“, zitierte sie die Aussage einer vergewaltigen Frau. Die Überlebenden seien zweifellos sehr in Mitleidenschaft genommen, aber auch „stark und sehr aktiv“ in ihren Gesellschaften, so Sabiha Husic, Imamin und Leiterin von medica Zenica in Bosnien. Weil Frauen glauben, sie seien selbst schuld an ihrem Leid, sei jedoch eine langfristige psychosoziale und finanzielle Unterstützung unerlässlich.
Symbolisches Tribunal zu Resolution 1325
In einem symbolischen Tribunal wurde die Frage abgehandelt, ob UN-Sicherheitsratsresolution 1325 effektiv war oder nicht. Zum ersten Mal in der Geschichte des Völkerrechts hatte die im Jahr 2000 verabschiedete Resolution gefordert, dass Frauen gleichberechtigt auf allen Ebenen von Friedensprozessen teilnehmen sollen. Die mit britischen Perücken gekleideten Richter_innen befragten Zeug_innen aus dem Irak, Burma, Sudan und anderen Konfliktländern, ob ihre Situation sich verbessert habe. Am Ende kamen drei Viertel des Publikums zum „Urteil“, die Resolution sei nicht effektiv, weil sie zu wenig umgesetzt werde.
Globale Kampagne will mehr Frauen an Friedenstische bringen
Mit einer feierlichen Zeremonie in Anwesenheit von etwa 150 Gästen startete zudem eine Globale Kampagne zu Frauen, Frieden und Sicherheit. Die philippinische Initiatorin Irene Santiago hatte 1995 das zivilgesellschaftliche Forum auf der UN-Frauenkonferenz in Peking geleitet und brachte von dort ein Tischtuch mit, das sie auf einem symbolischen Friedenstisch in der Messehalle ausbreitete. Die Teilnehmenden der Zeremonie, darunter Gaby Vermot als Präsidentin der 1000 FriedensFrauen Weltweit, die liberianische Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee und Generalsekretärin Madeleine Rees von der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, legten Stoffparolen auf dem Tisch ab, die die Beiträge von Verhandlerinnen symbolisierten: Transformation, Mitgefühl, Empowerment, Versöhnung und Gerechtigkeit. Ein Video brachte die Kampagne auf den Punkt: „Frauen sichern den Frieden“.
Die Globale Kampagne soll 16 Monate dauern und im Oktober 2015 enden, wenn in der UNO der 15. Jahrestag von Resolution 1325 gefeiert wird. In Friedenserhandlungen wird die Einbeziehung von Frauen und Zivilgesellschaft allerdings immer wieder „vergessen“. Das führt dazu, dass sich männliche Kriegstreiber unversöhnlich gegenübersitzen und Gespräche scheitern. Dies war zuletzt bei den Genfer Verhandlungen zu Syrien der Fall, von syrischen Friedensaktivistinnen in London bitter kommentiert.
Das Jahr 2015 bietet neben dem 15. Jahrestag von Resolution 1325 noch weitere Jubileen: Die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit wird 100 Jahre alt, die Pekinger Frauenkonferenz 20 Jahre und die 1000 FriedensFrauen Weltweit 10 Jahre. Zahlreiche Organisationen wollen in der Kampagne zusammenarbeiten, um einen politischen Durchbruch zu erreichen. Auf zentralen Plätzen in möglichst vielen Orten der Welt sollen im Laufe des Jahres 2015 symbolische Friedenstische mit Frauen unterschiedlicher Herkunft, Religionen und Kulturen aufgestellt und Friedensabkommen erarbeitet werden. Ute Scheub
Website der Global Campaign: www.womenseriously.org
Informationen der britischen Regierung zum Gipfel unter https://www.gov.uk/government/topical-events/sexual-violence-in-conflict
Blog mit Video-und Twitter-Beiträgen Prominenter unter https://storify.com/foreignoffice/live-blog-end-sexual-violence-in-conflict-summit
Events auf dem zivilgesellschaftliche Rahmenprogramms: https://www.gov.uk/government/news/free-public-events-at-the-global-summit-to-end-sexual-violence-in-conflict
Digitale Kampagne bei Twitter: #timetoact
Internationales Protokoll: https://www.gov.uk/government/publications/international-protocol-on-the-documentation-and-investigation-of-sexual-violence-in-conflict