48. Green Ladies Lunch: Verschärfung des deutschen Sexualstrafrechts?

Verletzungen sexueller Selbstbestimmung in der Öffentlichkeit – Inwiefern helfen Gesetze (nicht) weiter?

Freitag, 15. April 2016

Nach der Silvesternacht wurden überall Rufe nach Gesetzesverschärfungen laut. Die mediale Perspektive leistete den Vorschub für rassistische Gesetzesänderungen in Sachen Abschiebungen und Asylrecht. In Bezug auf § 177 StGB wird womöglich ein falscher Anlass zum Motor, damit das Prinzip „Nein heißt Nein“ doch noch umgesetzt wird. Feministische Interventionen gegen Rassismus und gegen Instrumentalisierung eigner Anliegen waren und sind auch weiter nötig – darauf verweisen nicht zuletzt rechtspopulistische Wahlerfolge.

Nicht nur § 177 StGB bzgl. Nötigung / Vergewaltigung, sondern die ganze Bandbreite von Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung rückte in den Blick. Die Empörung nach Silvester lässt sich auch als Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels lesen. Wie markierten in der Vergangenheit gesetzliche Änderungen diesen Wandel hin zu einem besseren Schutz sexueller Selbstbestimmung?

Erstaunt haben nach Silvester viele festgestellt, dass körperliche Übergriffe wie „Grapschen“ nicht einfach rechtlich belangt werden können bzw. nur über juristische Umwege. Inwiefern schafft eine Reform des § 177 StGB hier Abhilfe? Welche Bedeutung hatte und hat diesbezüglich die juristische Erheblichkeitsschwelle (§ 184h StGB)? Warum ist sie, obwohl sie nun sogar gesellschaftlich überholt scheint, nicht so einfach abzuschaffen? Wie setzt der grüne Gesetzesentwurf rechtspolitisch um, dass „Grapschen“ eine Verletzung ist, die juristische Konsequenzen haben kann?

Inwiefern ist der grüne Gesetzesentwurf eine gute Alternative zum Maas-Entwurf? Wo und wie sollten die Entwürfe nachgebessert werden? Welchen (problematischen) Einfluss hat der Silvesterdiskurs auf die Gesetzesentwürfe und (feministische) Debatten um notwendige Gesetzesverschärfungen?

Gesetze und Rechtsstaat sind aber eher abstrakte Größen - oder je nach Erfahrung - auch nicht unbedingt immer vertrauenserweckend (Stichwort Rassismus, racial profiling...).

Alltagsrassismus und -sexismus ist genau das: alltäglich. Und deshalb braucht es entsprechend alltägliche Interventionen. Über sexistische und rassistische Erfahrungen zu sprechen ist eine mögliche Intervention, Kampagnen wie #SchauHin und #ausnahmslos sind Beispiele.
Welche Strategien entwickeln Aktivist*innen gegen Alltagssexismus und -rassismus? Was können wir von erfolgreichen Interventionen und Kampagnen lernen?

Mit:

  • Ulle Schauws, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag
  • Katja Keul, Rechtspolitische Sprecherin Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
  • Dr. Ulrike Lembke, Juristin, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
  • Keshia Fredua-Mensah#SchauHin und #ausnahmslos
  • Gesine Agena, Bundesvorstand Bündnis 90/Die Grünen, #ausnahmslos

Moderation:

  • Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung

 

Ein Beitrag Katja Keuls zur Erheblichkeitsschwelle im Sexualstrafrecht findet sich hier (PDF) zum download.
Dr. Ulrike Lembke bietet hier einen Überblick der Hintergründe und des Reformbedarfs im deutschen Sexualstrafrecht.