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Die antifeministische Männerrechtsbewegung – Denkweisen, Netzwerke und Onlinemobilisierung

Lesedauer: 6 Minuten
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Cover of the study: "The anti-feminist men’s rights movement – lines of thought, networks and online rallying"

 

Geschlechterverhältnisse verändern sich. Dies lässt bei relevanten Gruppen von Männern Unsicherheiten entstehen. Im Diskurs um neue Rollenbilder sind in den letzten Jahren aber Gruppen aufgefallen, die radikal antiemanzipatorisch argumentieren. Antifeministische Männer und Frauen melden sich lautstark in der Öffentlichkeit, besonders im Internet. Sie beklagen, vor allem Männer seien  heute benachteiligt. Jeder Gleichstellungspolitik, dem Feminismus sowieso und auch emanzipationsorientierten Männern wird die politische Gegnerschaft  erklärt. Wir wollten die Argumentation dieser Gruppen ergründen und haben  uns deshalb auf die Spurensuche begeben.

Mit „Hate Speech“ gegen feministische Perspektiven
Die Antifeminist_innen unterscheiden sich in Ideologie und Wortwahl durchaus.  Eine ihrer Strömungen vertritt eine Mischung von (Rechts-)Populismus, aus
Nationalismus und Frauenfeindlichkeit, mit homophoben und rassistischen  Einstellungen versetzt. Es gibt Berührungspunkte zum Rechtsextremismus.  Propagiert wird ein Kreuzzug und ein Aufstand gegen den Feminismus, und  damit wird an eine kriegerische Männlichkeit appelliert. Auch vom norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik distanziert sich diese Gruppe kaum.
Eine weitere Strömung verteufelt alles, was des Staates ist; Gleichstellungspolitik wird grundsätzlich als staatliche Bevormundung abgelehnt. Jenseits der durch die Verfassung garantierten Grundrechte sinniert ein kleiner extremer Flügel über die Abschaffung des Frauenwahlrechts oder die Wiedereinführung eines Familienoberhaupts. Alle Strömungen wenden sich mehrheitlich gegen die als Staatsaufgabe im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung und kooperieren trotz ihrer Unterschiede. Sie informieren und vernetzen sich wechselseitig und beteiligen sich an gemeinsamen Aktionen. Antifeminismus in Form von Hasspropaganda («hate speech») dient als gemeinsame Klammer. Ohne nähere Kenntnis von Feminismus sprechen Antifeminist_innen stereotyp von Männerhass, Frauenherrschaft und vom Niedergang des Volkes. Den Kampfbegriff «Lila Pudel» setzen sie gegen Männer ein, die an  Gleichheit und feministischen Perspektiven interessiert sind. Die Hasspropaganda zielt auf Einzelpersonen, deren Entwürdigung und deren Erniedrigung ab. Sie werden beleidigt, an einen virtuellen Pranger gestellt, gegenüber ihren Arbeitgeber_innen diffamiert, und ihnen wird des Öfteren sogar mit Vergewaltigung oder Mord gedroht.

Männer als Opfer
Für Antifeminist_innen sind alle Männer heute Opfer. Sie werden benachteiligt und untergebuttert. Sie sind es eigentlich, die heute Gleichstellung brauchen.
Das markiert einen Bruch zum früheren Antifeminismus, der «nur» von der natürlichen Vorherrschaft der Männer ausging. Die nun eingeforderte Gleichheit ist allerdings nur partikular: Männliche (Vor-)Rechte sollen gegenüber den Frauen verteidigt bzw. durchgesetzt werden. Männerrechte als Menschenrechte stehen dabei nicht im Fokus.
Diese Kategorisierung der Männer als Opfer ist empirisch nicht haltbar. In jeder Gesellschaft mit Ungleichheit sind zwar auch Männer benachteiligt und von Unterdrückung und Geschlechterstereotypen betroffen. Fakten widerlegen aber gängige antifeministische Propaganda, wie z.B. die von den 400 Scheidungswaisen täglich oder die infame Behauptung, dass Vergewaltigungsklagen mehrheitlich auf falschen Beschuldigungen basierten. Die Antifeminist_innen könnten eigentlich viel vom Feminismus lernen, der sich erfolgreich gegen die Stereotypisierung von Frauen als Opfer zur Wehr gesetzt hat.

Polarisieren und konstruktive Debatten verhindern
Zum Glück hat die antifeministische Männerrechtsszene bislang wenig erreicht. Ihre öffentlichen Veranstaltungen stoßen auf wenig Interesse. Aber das muss nicht so bleiben. Gemessen an dem Medienecho war z.B. der Protest gegen die Abberufung der Goslarer Gleichstellungsbeauftragten Monika Ebeling, die sich stark für Männerthemen engagiert hatte, relativ erfolgreich. Der Wunsch nach Gleichstellung für die allseits benachteiligten Männer wurde in den Medien betont, aber über Ebelings Mitarbeit in einem führenden antifeministischen Netzwerk hinweggegangen. Es gelingt den Antifeminist/innen immer wieder, in Geschlechterdebatten im Internet, z.B. in Online-Foren von Tageszeitungen, zu intervenieren, zu polarisieren und ernsthafte und konstruktive Debatten zu behindern. Die Folge ist bislang, dass viele an echter Diskussion Interessierte diese Foren angesichts des frauenfeindlichen und aggressiven Tons wieder verlassen. Für die Antifeminist/innen entpuppt sich diese Form der Intervention damit als ziemlich erfolgreich, denn sie zerstören und monopolisieren wichtige und sinnvolle Debatten.

Mit Aufklärung und Information tradierten Geschlechterstereotypen entgegenwirken
In unserer vorliegenden Expertise wird deutlich, dass die antifeministische Männerrechtsbewegung eine kleine lautstarke Minderheit ist, mit der eine konstruktive Debatte nicht möglich ist. Es handelt sich laut neueren Untersuchungen zu den verschiedenen Einstellungen von Männern um den frustrierten Teil der «teiltraditionellen» Männer und die kleine Gruppe der «Lifestyle Machos»(1). Die Mehrheit der Männer ist verunsichert zwischen alten und neuen Geschlechterrollenbildern und Lebensmodellen, sie sucht nach neuen Balancen oder will mehr Gleichheit in Beruf und Familie sowie mehr Nähe zu ihren Kindern. Allerdings besteht insbesondere in ökonomischen und sozialen Krisenzeiten die Gefahr, dass diese Männer und z.T. auch Frauen – bestärkt auch von manchen Leitmedien – auf traditionelle Geschlechterbilder und -ordnungen zurückgreifen und diese wieder zum Mainstream werden. Dass dies nicht unwahrscheinlich ist, zeigt auch die jüngst veröffentlichte Langzeitstudie «Deutsche Zustände» des Soziologen Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld. Der zufolge haben rechtspopulistische Haltungen im vergangenen Jahr wieder zugenommen – nicht nur bei radikalen Minderheiten, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft. Ein Grund sei eine wachsende Verunsicherung. Hier ist Aufklärung und Information unabdingbar, damit auch die antifeministische Männerrechtsbewegung nicht mehr wird, als was sie ist: eine kleine Minderheit. Diese Expertise soll dazu beitragen.

(1) Vgl. Rainer Volz/Paul M. Zulehner: Männer in Bewegung. Zehn Jahre Männerentwicklung
in Deutschland, Baden-Baden 2010, Forschungsreihe Band 6; Carsten Wippermann/Marc
Calmbach/Katja Wippermann: Männer: Rolle vorwärts, Rolle rückwärts? Identitäten und
Verhalten von traditionellen, modernen und postmodernen Männern, Opladen 2009.

Berlin, im Dezember 2011

Barbara Unmüßig 
Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Henning von Bargen
Leitung Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung

Renate Steinhoff 
Stiftung Leben & Umwelt – Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen 

Linda Michalik
Heinrich-Böll-Stiftung Nordhrein-Westfalen

Wolfgang Faller
Heinrich-Böll-Stiftung Rheinland-Pfalz

Erich Späther
Heinrich-Böll-Stiftung Saarland

Kathrin Bastet
Weiterdenken –Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen

 

 

 
 

Hinweis

Hinweis 1:
Frau Ebeling hat nach Veröffentlichung dieser Publikation die Heinrich-Böll-Stiftung darüber unterrichtet, dass sie zum 30. Juni 2011 aus dem Verein agens e.V. ausgetreten ist, und die Abgabe einer Unterlassungserklärung verlangt. Am 30. August 2011 fand sich auf der Homepage des Vereins agens e.V. noch die Eigenerklärung von Frau Ebeling über ihre Vereinsmitgliedschaft. In einem Newsletter vom 15. Dezember 2011 des Vereins agens e.V. hieß es noch: «Zum Fall unseres Mitgliedes Monika Ebeling ...» Der Heinrich-Böll-Stiftung liegt mittlerweile die Bestätigung des Vereins agens e.V. über den Vereinsaustritt von Frau Ebeling zum 30.6.2011 vor. Wir gehen danach davon aus, dass Frau Ebeling den Verein agens e.V. verlassen hat und haben dies in der Studie entsprechend gekennzeichnet.

Berlin, den 2. 2. 2012

Hinrich Rosenbrock Heinrich-Böll-Stiftung, e.V.
 

Hinweis 2:
"Wir haben in der ersten Auflage der Studie geschrieben, dass der Geburtsname von Frau Ebeling Dittmer sei. Das ist falsch. Wir bedauern das."

Hinrich Rosenbrock und der Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

 

 

 
 

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