Archivierter Inhalt

Frauen verdienen mehr!

Beate Müller-Gemmeke
Teaser Bild Untertitel
Beate Müller-Gemmeke ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Arbeitnehmerrechte

 

100 Jahre Internationaler Frauentag - das ist Anlass genug, die Situation von Frauen näher zu beleuchten. Sind Frauen den Männern gleichgestellt? Ja, würden viele gefühlsmäßig sagen. Am Beispiel „Arbeitsmarkt“ wird aber deutlich, dass wir in Deutschland noch weit von einer echten Gleichberechtigung von Frauen und Männern entfernt sind.

Teilzeitbeschäftigung und Niedriglöhne

Frauen sind gut ausgebildet und auch die Erwerbstätigkeit von Frauen ist mit den Jahren kontinuierlich gestiegen. Immerhin stellen sie heute fast die Hälfte der Erwerbstätigen. Das Arbeitsvolumen der Frauen, also die Summe der tatsächlich gearbeiteten Stunden, hat sich jedoch kaum verändert. Frauen sind zwar mehr beschäftigt, aber mit kürzeren Arbeitszeiten und mit niedrigeren Löhnen. Sie arbeiten viel häufiger Teilzeit und in Minijobs als ihre männlichen Kollegen. 2009 waren ca. 640.000 Frauen weniger in Vollzeit angestellt als noch vor zehn Jahren. Zugleich ist aber die Zahl der Teilzeitjobs im selben Zeitraum erheblich angestiegen - um ca. 1,2 Millionen. Vor allem jedoch sind fast 70 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnbereich weiblich. Diese Zahlen bestätigen die Aussagen von Arbeitsmarktexpert_innen: Die klassische Erwerbsarbeit ändert sich. Vollzeit, unbefristet, sozialversicherungspflichtig - diese Form der Beschäftigung ist rückläufig. Befristete Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeit und Minijobs nehmen stattdessen zu. Und diese Entwicklung betrifft gerade die Frauen. Oft haben sie keine andere Wahl als einen - meist noch schlecht bezahlten - Teilzeitjob anzunehmen, denn entweder fehlt die benötigte Kinderbetreuung oder die Jobs werden nur noch in Teilzeit oder als Minijob angeboten. In der Konsequenz können viele Frauen von ihrer Arbeit nicht leben und sind auf zusätzliche Unterstützung angewiesen. Ohne Alternativen müssen Frauen deshalb niedrige Löhne, geringe Karrierechancen und eine schlechte soziale Absicherung in Kauf nehmen.

Eigenständige Absicherung

Bei Frauen kommen also häufig niedrige Stundenlöhne und kurze Arbeitszeiten zusammen. Das führt dazu, dass sie geringere Chancen auf eine eigenständige Existenzsicherung haben. Viel zu viele Frauen sind noch immer auf das Einkommen des Partners angewiesen. Aber eine eigenständige Existenzsicherung wird immer unumgänglicher, denn Ehe und Familie sind für Frauen schon lange keine sichere Versorgungsperspektive mehr – abgesehen davon: Frauen steht eine selbstbestimmte Lebensplanung ebenso zu wie Männern. Gleichstellungspolitisch schädlich wirken insbesondere Minijobs. Zwei Drittel der Minijobber_innen sind Frauen. Viele verdienen hinzu und stocken, teilweise sogar mit mehreren Minijobs, das Familieneinkommen auf. Damit wird ihre Rolle als „Zuverdienerinnen“ verfestigt. Einmal in die Geringfügigkeitsfalle getappt, ist es auch finanziell wenig attraktiv aus einem Minijob heraus die Arbeitszeit auszudehnen. Die Minijobs erweisen sich also als berufliche Sackgasse und als Hindernis auf dem Weg zu einer eigenständigen Existenzsicherung. Männer und Frauen sind im Erwerbsleben ungleich positioniert – und deshalb auch im System der sozialen Sicherung. Wer nur in einem Minijob arbeitet, erwirbt keine Rentenversicherungsansprüche. Das Rentensystem ist nicht auf Niedriglohn und Minijobs ausgelegt. Die Altersarmut von morgen wird also vor allem weiblich sein.

Familie und Beruf

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist zentrale Voraussetzung für eine eigenständige Lebensplanung und Existenzsicherung. Noch immer mangelt es aber massiv an Kinderbetreuungs- und Kinderbildungseinrichtungen, vor allem für unter Dreijährige und Kinder während der ersten Schuljahre. Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren gleicht vielerorts noch immer einem Hindernislauf – Verliererinnen sind die Frauen. Es ist Aufgabe der Politik  und der Unternehmen für ein ausreichendes und qualifiziertes Betreuungsangebot zu sorgen. Zudem belegen Studien, dass derzeit ca. 1,5 Millionen Vollzeitstellen mit qualifizierten Frauen mit Kindern besetzt werden könnten. Vorausgesetzt es gäbe entsprechende flexible Arbeitszeiten, die auf die Bedürfnisse der erwerbstätigen Mütter zugeschnitten sind. Unternehmen und die Öffentliche Hand tun gut daran, familiengerechte Arbeitsplätze zu schaffen, um auf gut ausgebildete weibliche Arbeitskräfte zurück greifen zu können.

Frauen verdienen mehr!

Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor in Frauen- und Männerberufe geteilt. Frauen verdienen im Durchschnitt deutlich weniger, in Führungspositionen sind sie seltener vertreten. Berufsunterbrechungen, Teilzeitarbeit und Minijobs erschweren eine eigenständige Existenzsicherung und gefährden erworbene Qualifikationen und Aufstiegsmöglichkeiten. Auch aus gleichstellungspolitischer Sicht sind also soziale Leitplanken auf dem Arbeitsmarkt unabdingbar. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn als Unterkante würde Lohndumping in der extremsten Form verhindern. Davon würden vor allem die Frauen profitieren. Branchenspezifische Mindestlöhne und mehr allgemeinverbindlich erklärte Tariflöhne würden die Ausbreitung des Niedriglohnbereichs insgesamt stoppen. Der Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern müssen gesetzliche Bewertungssysteme entgegen gesetzt werden. Die Begrenzung der befristeten Beschäftigung und das Ende der Subventionierung von Minijobs ist ein wichtiger Baustein für mehr soziale Sicherheit. Eine neue Regelung der steuerlichen Ehe- und Familienförderung, die sich nicht auf Familien sondern auf Kinder konzentriert, mehr öffentlich organisierte Kinderbetreuung und die Förderung von Vätern in Elternzeit würde die Gleichstellung von Frauen und Männern voran treiben.

Gleichstellung ist nach wie vor ein uneingelöstes Versprechen. Die Schlechterstellung  von Frauen auf dem Arbeitsmarkt hat sich auch nach 100 Jahren Frauentag als resistent  erwiesen. Frauen und Männer auf gleicher Augenhöhe bleibt also das Ziel – verlässliche Löhne und faire Arbeitsbedingungen sind dafür unerlässlich. Frauen verdienen mehr!

 

---------------------

 

Mehr zum Thema:

 

 
 

zurück zum Dossier 100 Jahre Frauentag: Women´s voices Women´s Choices