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Lohnsteuerverfahren und Freibeträge: die Fortsetzung geschlechtsspezifischer Diskriminierung

Nicht nur das Ehegattensplitting stellt eine diskriminierende Form im deutschen Steuerrecht dar. Neben diesem zentralen Aspekt haben auch weitere Steuerinstrumente geschlechterpolitische Konsequenzen, die sich zum Nachteil eines Ehepartners und überwiegend von Frauen auswirken können.

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Ehegattensplitting und andere Steuerinstrumente können sich überwiegend nachteilig für Frauen auswirken

Das Lohnsteuerkartenverfahren ist der „Dominoeffekt“ des Ehegattensplittings
Das Lohnsteuerabzugsverfahren stellt im Einkommensteuerrecht eine Vorauszahlung der Einkommensteuerschuld dar. Wie die gesamte Einkommensteuer ist es an Familienstand und Beschäftigungsverhältnis gebunden und bildet die daraus resultierende Besteuerung monatlich im Voraus ab. Dabei bildet die Lohnsteuerklassenkombination III – V das Ehegattensplitting ab bzw. nimmt dessen Wirkungen vorweg. Wie auch beim Ehegattensplitting selbst lassen sich in der Anpassung durch die Steuerklassen deutliche geschlechterpolitische Probleme erkennen.

Die Wahl der Lohnsteuerklassen ermöglicht es, dass Ehepaare ihr Einkommen in unterschiedlicher Höhe besteuern. Bei der Kombination III/V wird das hohe Einkommen in Steuerklasse III eingestuft und relativ gering besteuert, während für das geringere Einkommen Steuerklasse V und damit eine hohe Besteuerung gewählt wird. Diese Einstufung ist problematisch, denn der direkte finanzielle Vorteil für den Partner, der entsprechend Steuerklasse III behandelt wird, geht zu Lasten des geringer verdienenden Partners. Lohnsteuerklasse V ist damit doppelt ungerecht, weil der geringere Bruttoverdienst einen prozentual noch geringeren Nettoverdienst zur Folge hat. Die Lohnsteuerjahresberechnung gleicht dies selten direkt aus, weil Steuerrückzahlungen, aber auch die Anrechnung von Freibeträgen von dem Partner mit dem höheren Einkommen in Anspruch genommen werden. Geschlechtsneutralität kann diese Praxis kaum noch vortäuschen, denn aufgrund der empirischen Tatsache, dass Frauen meist das geringere Einkommen erzielen, sind überwiegend Frauen von Lohnsteuerklasse V betroffen: Im Jahr 2001 waren es zu 89,6% Frauen und nur zu 10,4% Männer, die diese Lohnsteuerklasse wählten. Umgekehrt wurde die Lohnsteuerklasse III im gleichen Jahr zu 83,1% von Männern und nur zu 16,9% von Frauen gewählt [Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen: Antrag Steuervereinfachung, BT-Drucksache 16/3023, PDF].

Die direkte Einkommensdifferenz ist erst der Anfang der Diskriminierung: Oft wirkt sich die hohe Besteuerung als demotivierend hinsichtlich der Aufnahme oder Ausweitung der Erwerbstätigkeit für Frauen aus. Die unmittelbare hohe steuerliche Belastung des zweiten Einkommens wirkt als effektive Barriere, die eine eigenständige Existenzsicherung unattraktiv und ökonomisch wenig rational macht. Schließlich verringert sich das Nettoeinkommen noch einmal, weil mit dem Zweiteinkommen der Anspruch auf Mitversicherung in der Krankenversicherung entfällt und plötzlich Sozialabgaben notwendig sind. Diese ehezentrierten Instrumente des Steuer- und Sozialsystems setzen Anreize, die dem „Zweiteinkommen“ und damit der eigenständigen Existenzsicherung Frauen entgegenwirken.

Noch problematischer sind allerdings mittel- und langfristige Konsequenzen, die sich in Folgeansprüchen ausdrücken. So bewirkt die hohe Besteuerung und das dadurch geringe Nettoeinkommen auch geringere Arbeitslosen- oder Rentenbezüge. Auch das Elterngeld wird nach dem Nettoeinkommen berechnet und fällt regelmäßig für Frauen geringer aus, wenn sie vor der Geburt des Kindes in Lohnsteuerklasse V eingestuft waren. Da Frauen bisher noch den größeren Teil der Elternzeit nehmen und eine drastische Reduzierung dessen wohl kaum zu erwarten ist, ist die Benachteiligung besonders offensichtlich. Durch die weitreichenden Folgen der hohen Besteuerung bei allen Ansprüchen, die sich aus dem Nettolohn ergeben, ist die vorhandene geschlechtsspezifische Diskriminierung deutlich.

Familienbezogene Freibeträge: die „Herdprämien“ gehen an die falschen Adressaten
In engem Zusammenhang mit dem Lohnsteuerkartenverfahren steht die Steuerentlastung durch Freibeträge. Gerade für Familien gibt es diverse Entlastungen, die aber unterschiedlich gezahlt werden (vergl. Mückenberger 2007).

Grundsätzlich steht allen Eltern ungeachtet des Familienstandes und der Erwerbstätigkeit ein Kinderfreibetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums zu, der während des Jahres als Steuervergütung in Form des Kindergeldes gezahlt wird. Zudem gilt ein Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung des Kindes, der unabhängig von tatsächlichen finanziellen Aufwendungen für die Kinderbetreuung in Anspruch genommen werden darf. Zusätzlich können Eltern erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten bis zu einem gewissen Grad von der Steuer absetzen. Diese erst kürzlich eingeführte Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit von Betreuungskosten birgt positive Anreize sowohl für die Erwerbstätigkeit von Müttern als auch für die Legalisierung bisher illegaler Arbeitsverhältnisse im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen – auch dies oft eine „weibliche“ Domäne. Denn die abzusetzenden Kosten müssen nachgewiesen werden – es wird also nur bezahlte Arbeit anerkannt. Dahingegen steht der Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung unter geschlechterpolitischen Aspekten in der Kritik, weil die Pauschale die Eigen- und Fremdbetreuung von Kindern gleich behandelt und damit eher einen Anreiz für die Hausfrauenehe darstellt. Dies wird noch dadurch unterstützt, dass nicht verheiratete Eltern den Freibetrag nur getrennt in Anspruch nehmen dürfen, Eheleuten aber der doppelte Betrag zusteht (Spangenberg 2005: 13f.).

Zudem kommt der Freibetrag wiederum besonders wohlhabenden Eltern zugute, weil die Steuerentlastung ab einem Gesamteinkommen von ca. 63.000€ jene Entlastung, die durch die Zahlung des Kindergeldes erzielt wird, übersteigt. Freibeträge sind daher sozialpolitisch fragwürdig, weil hohe Einkommen davon mehr profitieren.

Das Hauptproblem an Freibeträgen aus der geschlechterpolitischen Perspektive ist, dass Steuerfreibeträge an Inhaber von Lohnsteuerkarten geknüpft sind und sich besonders bei hohen Einkommen lohnen. Empirisch bedeutet dies wieder, dass in der Mehrzahl Männer Freibeträge in Anspruch nehmen und im Falle der familienbezogenen Freibeträge eine steuerliche „Entlohnung“ erhalten für jene Arbeit, die überwiegend von Frauen verrichtet wird: die Betreuung von Kindern und unbezahlte Hausarbeit. Im Idealmodell der „intakten Durchschnittsehe“ könnte dies damit gerechtfertigt werden, dass dieser Steuerausgleich als gemeinsamer Gewinn gerecht unter den Eheleuten aufgeteilt wird – als realistisches Szenario sollte dies nicht vorausgesetzt werden, zumal die eheinterne Güterteilung jedem Paar selbst überlassen bleibt und also auch unterlassen werden kann. Realistisch betrachtet bedeutet die Freibetragsregelung, dass derjenige Ehepartner, der evtl. zu Gunsten von Kinderbetreuung und Hausarbeit überwiegend oder ganz auf ein Erwerbseinkommen verzichtet, durch das Steuersystem nochmals mittelloser wird, weil der Einkommen erzielende Partner für die Arbeit des anderen steuerlich entlohnt wird.