Persönliche Anmerkungen zu 100 Jahre Frauenbewegung
Judy Gummich
Als ich so Anfang der achziger Jahre „Die Frauenbewegung“ entdeckte - sie hat nicht mich gesucht - wurde mir ziemlich schnell klar (gemacht), dass ich mich solange dazugehörig definieren durfte, solange ich mich auf mein Frausein beschränkte. Zusammen mit meinen Schwarzen Schwestern waren wir von der weiß-christlich-mittelschichts-dominierten Frauenbewegung in Deutschland lediglich geduldet. Doch ist unser Geschlecht nur ein und übrigens oft nicht der bestimmenden Aspekt unserer Lebenswirklichkeiten.
Der erste Kongress von Schwarzen Frauen, Frauen of Color, MigrantInnen und jüdischen Frauen in Deutschland, bei dem ich persönlich noch nicht dabei sein konnte, brachte für uns die Wende. Wir wiesen auf Unterschiede zwischen Frauen hin und begannen gemeinsam den Rassismus in der Frauenbewegung aufzudecken und für eine gleichberechtigten Platz in dieser Gesellschaft zu kämpfen. Unsere Forderungen an die weiße Frauenbewegung waren ähnlich wie deren Forderung an das Partriarchat. Wesentlich war, dass der Kampf gegen Rassismus von uns als Schwarze Frauen nur gemeinsam mit Schwarzen Männern geführt werden konnte und wollte. Das ließen wir uns gegen alle Widerstände der weißen Frauenbewegung nicht nehmen.
Für mich persönlich war das Buch „Farbe bekennen – Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ (1) und die Begegnung mit den darin porträtierten Frauen der Schlüssel, mich mit anderen Schwarzen Frauen / Frauen of Color zu solidarisieren. Wir lernten von der Stärke, Klugheit, Kreativität und Bedeutung Schwarzer Frauen in Gegenwart und Geschichte, die weit älter ist, als „hundert Jahre Frauenbewegung“ und die uns bis dahin sowohl von der Gesellschaft wie von „der Frauenbewegung“ unterschlagen wurde. Mir wurde die Schwarze Geschichte dieser Republik und damit ein wesentlicher Teil meiner Wurzeln offenbart. Audre Lorde und danach viele andere Schwarze Frauen und auch Männer unterstützten uns afro-deutsche / Schwarze Frauen, für uns als selbstverständlichen Teil dieser Gesellschaft einzutreten. Sie förderten unser Verständnis und Gefühl der Zugehörigkeiten zu der weltweiten Gemeinschaft der Women / People of Color. Noch heute sind die Erfahrungen und Begegnungen jener Zeit Quelle meiner Kraft, um für die Verwirklichung von Menschenrechten einzutreten.
Obwohl sich heute (nicht nur) weiße Frauen mit kritischer Weißseinsforschung befassen und mit Intersektionalität (kurz:Verwobenheit von Gruppenzugehörigkeiten), einem Konzept, was seinen Ursprung in der Theorie und Politik Schwarzer Frauen hat, sind Schwarze Frauen noch immer nicht ausreichend repräsentiert, egal ob als Automechanikerin oder Wirtschaftsprofessorin. Am ehesten noch sind sie in Zusammenhängen zum Thema Migration / Rassismus anzutreffen. Doch solange eine Forderung nach einer Frauenquote nicht auch ausdrücklich mit einer Forderung nach einer Quote für alle Frauen in ihrer Vielfalt wie Schwarze Frauen, Frauen mit Beeinträchtigung systematisch verknüpft wird, so lange sehe ich noch immer nicht Schwarz ...... in den Aufsichtsräten und Parlamenten dieser Republik. Doch Barack Obama und Ellen Johnson-Sirleaf lassen mich hoffen.
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Fußnoten:
(1) Orlanda Frauenverlag, Berlin 1986
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