Im März tagte in New York die 59. UN-Frauenrechtskommission. Sie überprüfte nach 20 Jahren den Stand der Umsetzung der Pekinger Aktionsplattform von 1995; die gilt bis heute als Meilenstein für die Verankerung von Frauen- und Menschenrechten weltweit. Frauen in bewaffneten Konflikten ist eines von 12 zentralen Handlungsfeldern. Hierzu organisierte das Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) ,unterstützt vom BMFSJ und UN Women Deutschland ein sogenanntes „Side-Event", eine Veranstaltung jenseits des offiziellen UN-Debatten. Schwerpunkt: die (strafrechtliche) Verfolgung sexualisierter und gender-basierter Gewalt in Konflikten am Beispiel Kolumbien.
Mit welchen Mitteln kann gegen geschlechterbasierte und sexualisierte Gewaltverbrechen vorgegangenen werden? Verbrechen, die zum Teil als Kriegsstrategie, zur Erniedrigung und psychologischen Zerstörung der Feinde eingesetzt werden. Und weitreichende Folgen für die Gesellschaft insgesamt hat. Welche Bedeutung hat die strafrechtliche Verfolgung dieser Verbrechen? Wie kann diese Gewalt von den Betroffenen verarbeitet werden? Können auch Transitional-Justice-Instrumente, wie Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, Reparationszahlungen an die Überlebenden, symbolische Wiedergutmachungen dazu beitragen? Fragen, die mit Blick auf Kolumbien drei kolumbianischen Expertinnen aufgriffen: Claudia Mejia Duque, Direktorin der kolumbianischen Frauenorganisation Sisma Mujer, ihre Kollegin und Anwältin Viviana Rodrigues, und die Juristin Angela Hernandez, Projekt-Mitarbeiterin der GIZ in Kolumbien.
In Kolumbien tobte seit 1964 ein blutiger Bürgerkrieg. Inzwischen gibt es mit den Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und den verschiedenen Guerilla-Gruppen (FARC und ELN) eine Chance auf Frieden. Ob dadurch auch die (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen beendet wird, erscheint den Frauen als Hoffnung, die bisher aber nicht realisiert wurde. Eindrücklich schildern die beiden Sisma Mujer-Vertreterinnen ihren langjährigen Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen. Danach erlebten in den letzten zehn Jahren rund 84% der Frauen in Kolumbien sexualisierte Gewalt – durch die Guerilla, Para-Militärs oder das reguläre Militär. Als Folge der Militarisierung der Gesellschaft waren etwa 84% der Täter (Ex-) Partner, Verwandte oder Freunde. Viviana analysiert sexualisierte Gewalt nicht nur als Auswirkung des Jahrzehnte langen Kriegs und der androzentrischen Strukturen von militärischer Organisation generell, sondern auch als Ausdruck einer Kultur, in der Männer dominieren und Frauenunterwerfung eine Selbstverständlichkeit ist. Daran würden auch Friedensverhandlungen wenig ändern, wenn nicht von vorn herein die Bedingungen für Frauen mit verhandelt und Frauen beteiligt würden. Gesetze allein reichten nicht, da für Frauen die Hindernisse zur Justiz zu groß seien, um sich dadurch Recht zu verschaffen. Und viele Überlebende sprechen ohnehin nicht über die erlittene Gewalt, aus Scham, aber auch aus Furcht vor sozialer Ausgrenzung.
Immerhin gibt es inzwischen Gesetze gegen gender-basierte Gewalt; eins, das – seit 2015 – sexuelle Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert. Dennoch, so Angela Fernandez, sei die strafrechtliche Verfolgung dieser Verbrechen gering, und noch niedriger die Zahl der Verurteilungen der Täter. Insbesondere würden die Taten der regulären Militärs bisher kaum beachtet. Hoffnung formuliert dennoch Claudia Mejia Duque für die weiteren Friedensverhandlungen. Bedingung: die Frauen müssen mit am Verhandlungstisch sitzen, Überlebende müssen selbst zu Wort kommen und die Straflosigkeit der Täter beendet werden, in Bezug auf aktuelle und zukünftige Verbrechen, aber auch für Verbrechen der Vergangenheit. Hierfür sind internationalen Gesetze und die UN-Resolutionen zu Frauen, Frieden, Sicherheit eine starke Argumentationshilfe und Unterstützung. Klar ist aber auch: Kolumbiens Frauen brauchen für den Friedensprozesse nicht nur viel Mut und einen langen Atem, sondern auch internationale Solidarität und Unterstützung.