Die jüngste Bewegung von Menschen aus Simbabwe nach Südafrika ist einer der größten konzentrierten Migrationsströme in der südafrikanischen Geschichte. Migrantische Care-Arbeiter*innen sind besonders stark von der selektiven Migrationspolitik und den restriktiven Arbeitsbedingungen betroffen.
Die anhaltende wirtschaftliche und politische Krise in Simbabwe sowie zunehmende Arbeitslosigkeit und innenpolitische Instabilität veranlassen einen Großteil der Bevölkerung dazu, sich in anderen Bereichen der wirtschaftlichen Existenzgrundlagen umzusehen, entweder in der städtischen informellen Wirtschaft oder außerhalb des Landes oder beides. Besonders die südafrikanische Ökonomie ist stark durch simbabwische Arbeiter*innen geprägt. Dabei stellt sich die Frage, welche politische Gestaltungskraft simbabwischen Care-Arbeiter*innen in der Aushandlung neuer Handlungsspielräume in der südafrikanischen Migrationspolitik zukommt.
Nach dem Umsturz des Apartheidregimes 1994 sahen die meisten simbabwischen Arbeitnehmer*innen Südafrika als einen Ort an, in dem sie temporäre Beschäftigung finden konnten, um die ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen und die schlechten sozialen Aussichten in Simbabwe zu bewältigen. Die abnehmenden Perspektiven in den informellen und formellen simbabwischen Wirtschaftssektoren drängten qualifizierte und unqualifizierte Arbeitskräfte – unabhängig von Alter, Fähigkeiten und Bildungsniveau – dazu, verschiedene Formen von Arbeit, vom informellen Handel bis zur langfristigen formellen Beschäftigung, in den urbanen Räumen Südafrikas wahrzunehmen.
Die neoliberale Umstrukturierung des Arbeitsmarktes, ökonomische Diversifizierung und die zunehmende Integration von südafrikanischen Frauen in den formalen Erwerbsmarkt führten jedoch Ende der 1990er Jahre zur Aufwertung von weiblicher Arbeitskraft und insbesondere von Reproduktionstätigkeiten.
Die Prozesse der fortschreitenden Deregulierung von Arbeitsverhältnissen und Inwertsetzung von Sorge- und Pflegearbeit eröffneten simbabwischen Arbeitssuchenden neue Zugänge zur ausgeblendeten Haushalts- und Reproduktionsökonomie in Südafrika. Bezeichnenderweise hatte dies auch eine doppelte Privatisierung sozialer Aufgaben und von Sorgearbeit zur Folge. Die Belastung der sozialen Reproduktion übertrug sich dabei zunehmend auf die Haushalte und Gemeinschaften der arbeitenden Armen und simbabwischen Arbeitssuchenden. Die steigende Nachfrage nach flexiblen Arbeitskräften vor allem im Pflege- und Haushaltssektor übersetzte sich allerdings nicht in eine liberale Migrationsgesetzgebung Südafrikas.
Die Insider und Outsider des südafrikanischen Migrationsmanagements
Mit dem Amtsantritt von Jacob Zuma im Jahr 2007 wurde erstmals ein reformiertes System des bisherigen grenzüberschreitenden Migrationsmanagements eingeführt. Die drakonischen Visumsbeschränkungen von 1996 und Einwanderungsgesetze von 2002 wurden durch die bilaterale Vereinbarung des 90-Tage Visa (SITC) ersetzt. Die Zahl der Arbeitserlaubnisse für simbabwische Fachkräfte stieg nach 2008 rasch an. Vor allem simbabwische Fachkräfte und Studierende konnten ab 2006 durch die verschiedenen im Einwanderungsgesetz vorgesehenen befristeten und unbefristeten Aufenthaltsgenehmigungen nach Südafrika einreisen. Die Auflagen des Joint Initiative for Priority Skills Acquisition (JIPSA) Einwanderungsgesetzes waren für den Großteil der simbabwischen Bevölkerung, die von der Regierungskrise betroffen waren, jedoch unmöglich zu bewerkstelligen.
Die simbabwischen Arbeitssuchenden sahen sich mit strengen Bedingungen des neuen Mobilitätsregimes konfrontiert. So sollten sie einen Nachweis über eine bestätigte und bezahlte Hotelunterkunft oder ein Einladungsschreiben einer Person (Geschäftspartner*in oder Angehörige*r), die ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Südafrika hat, vorweisen. Für die meisten simbabwischen Migrant*innen gestaltete es sich immer schwieriger, auf legalen Wegen nach Südafrika zu migrieren.
„Dieses Zusammenspiel zwischen Mobilität und Eindämmung produzierte eine neue Form der Biopolitik, die viele Migrantinnen in eine neue gesellschaftliche Rangordnung drängte“ (Heck 2004).
Doch die Reformen, die im Jahr 2009 in Kraft traten, hatten die unbeabsichtigte Folge einer zunehmenden unerlaubten Migration. So bot das 90-Tage-Visum einen legalen Weg, mit Pass nach Südafrika einzureisen und sich für einen Zeitraum von 90 Tagen dort aufzuhalten, sowie nach einer Ausreise erneut einzureisen. Davon ausgenommen waren die undokumentierten, oftmals weiblichen Migrant*innen, die sich in temporären oder auch längerfristigen, aber zumeist informellen Beschäftigungsverhältnissen in der informellen Pflege und dem Hausarbeitssektor wiederfanden und damit die Visumsauflagen nicht erfüllen konnten. „Dieses Zusammenspiel zwischen Mobilität und Eindämmung produzierte eine neue Form der Biopolitik, die viele Migrantinnen in eine neue gesellschaftliche Rangordnung drängte“ (Heck 2004).
Die unzureichenden Investitionen in das öffentliche Gesundheitswesen und die Ausweitung des Niedriglohnsektors in Südafrika stehen damit im Zusammenhang mit der eingeschränkten Mobilität der simbabwischen Arbeiter*innen und ihrer Einbettung in die sich transformierenden Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Der Ausschluss von simbabwischen Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt und in anderen Bereichen ist weitgehend das Ergebnis des Versuchs der südafrikanischen Regierung, Grenzen zwischen Insidern und Außenstehenden zu ziehen und die zunehmende Versorgungslücke zu schließen.
Die Externalisierung von gesellschaftlicher Reproduktionsarbeit
Das strategische Schweigen zwischen der südafrikanischen Regierung und dem simbabwischen Regime zu den restriktiven Migrationsauflagen und Arbeitsbedingungen der Migrant*innen erschwert weiterhin, einen gemeinsamen Rahmen für ein integriertes Migrationsmanagement zu ermöglichen. Die fehlenden bilateralen Abkommen zur Arbeitsmigration bedeuten, dass „die jenseits der Märkte verrichtete soziale Sorgearbeit weiterhin aus dem Ökonomischen abgespalten und damit ökonomisch unsichtbar gemacht und entwertet“ verbleibt.
Die selektive Migrationspolitik und restriktiven Arbeitsmaßnahmen Südafrikas drängen die simbabwischen Migrant*innen in ungeregelte Beschäftigungssektoren. Diese Beschäftigungsformen umfassen meist Tätigkeiten im Gesundheits- und privaten Sektor. Die simbabwischen Migrantinnen kompensieren somit weitgehend den Überschuss an Haus-, Betreuungs- und Pflegearbeiten und tragen zugleich zu einer sozial selektiven Emanzipation für hoch qualifizierte Frauen in Südafrika bei. Die Externalisierung von gesellschaftlicher Reproduktionsarbeit aus der marktförmigen und versorgenden Wirtschaft verdrängt oder verunmöglicht gar sorgeorientierte Politiken weiterhin.
Die simbabwischen Care-Arbeiterinnen verbleiben in unsicheren und informellen Arbeitsverhältnissen und verfügen in den meisten Fällen über keine Auffangnetze. Sie sind weitgehend von Kündigungsschutz, Tarifverhandlungen sowie Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen ausgeschlossen. Die überwiegend migrantischen Haushaltshilfen, Pfleger*innen und Nannys, die im Care-Sektor arbeiten, müssen sich selbst und ihre Kinder, da sie oftmals selbst Familienernährerinnen sind, durch unbezahlte Reproduktionsarbeit erhalten.
So beruht die Stabilität der südafrikanischen Ökonomie auf dem Einsatz entrechteter, migrantischer Arbeitskräfte aus den Mitgliedsstaaten der SADC (Southern African Development Community). Es kann also davon gesprochen werden, dass die soziale Reproduktion in Südafrika zu einem Großteil durch weibliche, migrantische Arbeitskräfte gesichert wird. Die transnationale Produktion und Reproduktion wird über einen ethnisierten und geschlechtsspezifisch segmentierten Arbeitsmarkt aufrechterhalten, welcher auf der Entrechtung seiner Arbeitskräfte basiert und von selektiven Einwanderungsauflagen gestützt wird.
Das Handlungspotential der simbabwischen Care-Arbeiter*innen in Zeiten von zunehmenden Außen- und Sicherheitspolitischen Maßnahmen
Eine Zusammenführung der bislang weitgehend unabhängig voneinander verlaufenden Streiks in der Sphäre der Produktion und die sozialen Kämpfe in der Sphäre der Reproduktion ist von zentraler Bedeutung, um Kampagnen für eine Neuorganisierung von Produktion, Ausbildung und Entlohnungssystemen zu ermöglichen. Dabei müssten die traditionellen Gewerkschaften wie die neuen demokratischen Arbeitervertretungen ihre Aufmerksamkeit auch auf die Krise der Reproduktion richten. Eine stärkere Zusammenarbeit von nationalen Gewerkschaften und lokalen NGOs mit den Arbeitsmigrantinnen müsste bewerkstelligt werden.
Organisationen und kleinere Verbände wie die Zimbabwe Lawyers Association oder auch National Union of Care Workers of South Africa, die sich seit 2016 für ihre politische Mitbestimmung und für die Anerkennung ihrer Arbeit im öffentlichen Gesundheitssektor einsetzen, stellen gute Beispiele für eine emanzipatorische Praxis dar. Die Forderungen an den südafrikanischen Staat, seinen Verpflichtungen nachzukommen, würden damit auch eine breitere und reichhaltigere Debatte um die Fragen der Sozialpolitik in Südafrika eröffnen. Die besten Aussichten auf eine anhaltende, radikale Herausforderung des profitorientierten, von Migration abhängigen Wirtschaftsmodells Südafrikas besteht in einer Vereinigung dieser Kämpfe, orientiert an den von den Frauen entwickelten Perspektiven und Lösungen.
Weiterführende Literatur:
Chirume, Joseph: Community healthcare workers demand full-time employment, better pay, News24 Online, 14.09.2018, https://www.news24.com/SouthAfrica/News/community-healthcare-workers-demand-full-time-employment-better-pay-20180914
Crush, J. (2011). Complex Movements, Confused Responses: Labour Migration in South Africa (rep., pp. 1-27). Waterloo, ON: Southern African Migration Programme. SAMP Migration Policy Brief No. 25.
https://www.africaportal.org/publications/complex-movements-confused-responses-labour-migration-in-south-africa/
Fine, Janice (2014). Restriction and Solidarity in the New South Africa: COSATU’s Complex Response to Migration and Migrant Workers in the Post-Apartheid Era. The Transformation of Work: Challenges and Strategies.Solidarity Center. 1-50. https://www.solidaritycenter.org/wp-content/uploads/2015/09/Restriction-and-Solidarity-in-New-South-Africa-migration-report.1.2014.pdf
Heck. G. (2004). Migration und Dispora. Netzwerke und Ermächtigungsprozesse kongolesischer Frauen. Geschlecht im Migrationsprozess: Konstruktionen, Widersprüche und Bewegungen. Reihe: Texte/Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 18, Karl Dietz Verlag Berlin
Maregele, Barbara: Home based carers want better work conditions. Ground Up, 30.05.2017.https://www.groundup.org.za/article/home-based-carers-want-better-work-conditions/
Trafford, Z., Swartz, A., & Colvin, C. J. (2018). “Contract to Volunteer”: South African Community Health Worker Mobilization for Better Labor Protection. NEW SOLUTIONS: A Journal of Environmental and Occupational Health Policy, 27(4), 648–666. https://doi.org/10.1177/1048291117739529
United Nations Development Programme (2010). The Potential Contribution of the Zimbabwe Diaspora to Economic Recovery. Comprehensive Economic Recovery in Zimbabwe Working Paper Series. Series 11. https://www.zimbabwesituation.com/old/WP11.pdf