Die Strukturfonds sind das Finanzinstrument zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts der Regionen in der Europäischen Union. Dafür stehen 2014-2020 europaweit 352 Milliarden Euro zur Verfügung. ALLE Strukturfonds sind den Grundsätzen des Vertrages der EU und damit auch der Gleichstellung von Frauen und Männern verpflichtet. Die Rahmenverordnung für die Strukturfonds definiert die Gleichstellung von Frauen und Männern als eines der Hauptziele der Fonds und sieht vor, dass die Gleichstellungsdimension in sämtliche von den Fonds kofinanzierte Maßnahmen zu integrieren ist. Das ist nicht neu. Auch in den vergangenen Förderperioden war Gender Mainstreaming ein horizontaler Grundsatz der Europäischen Strukturfonds. Jedoch nur wenige Mitgliedstaaten nahmen das wirklich ernst. Auch die Kommission nutzte ihre Kontrollmöglichkeiten an dieser Stelle kaum. Sie akzeptierte zum Beispiel, dass Mitgliedstaaten und in Deutschland die meisten Bundesländer, Gender Mainstreaming als „automatisch wirkend“ definierten und auf spezifische Maßnahmen zur Überwindung der Benachteiligung von Frauen verzichteten. Die Annahme des automatischen Wirkens war dabei durch keinerlei Genderanalyse gestützt. Manche Bundesländer überließen Aktionen zur Förderung der Gendergerechtigkeit dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Einige Landesverwaltungen sind bis heute nicht von dieser Argumentation abgerückt. Anders das Bundesland Bremen. Hier wurde im Zuge einer Gleichstellungsinitiative bereits 2007 die „Gutgläubigkeit dieses Automatismus für mehr Geschlechtergerechtigkeit“ überprüft. Dabei zeigte sich, dass scheinbar geschlechterneutrale Ansätze in der Programmierung der Europäischen Strukturfonds in der Praxis die Benachteiligung von Frauen manifestieren. Die Gleichstellung blieb zum Beispiel beim Europäischen Regionalfonds (EFRE) auf der Strecke, weil der EFRE keine auf die Bedürfnisse und Situationen von Frauen abgestimmten Fördermaßnahmen vorsah. Werden die Förderbedingungen jedoch auf die besondere Situation der Frauen ausgerichtet, können die Potentiale von Frauen für das Wirtschaftsleben wirklich erschlossen werden. Gründerinnen brauchen zum Beispiel niedrigschwellige Kreditangebote, weil frau aufgrund ihrer schlechteren Chancen am Arbeitsmarkt häufiger aus der Arbeitslosigkeit oder Mittellosigkeit heraus zur Existenzgründerin wird. Auch Planungen für Infrastrukturmaßnahmen berücksichtigen selten, dass diese von Männern und Frauen unterschiedlich in Anspruch genommen werden und sind angeblich „geschlechtsneutral“ nur auf Männer ausgerichtet.
Damit sich das ändert, haben wir Grüne mit unseren Änderungen den neuen Verordnungen systematisch ein Genderkonzept verpasst. Vieles davon hat die Mehrheit des Parlaments gewonnen und einiges wurde gegen den Widerstand des Europäischen Rats in den Verordnungen für den Zeitraum 2014-2020 verankert. Entscheidend für alle Strukturfonds ist der horizontale Artikel 7 in der Rahmenverordnung. Die Rahmenverordnung gilt für alle Fonds, auch für den Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Fonds für die von Fischerei betroffenen Gebieten. Wir haben erreicht, dass ausdrücklich erwähnt wird, dass eine Genderperspektive auch für die Überwachung und Evaluierung der Programme Bedingung ist. Das hat zur Folge, dass alle Analysen und Ergebnisse geschlechterspezifisch aufgeführt werden müssen. Genderwirkungsanalysen, wie sie Bremen schon 2007 getestet hat, sind dafür besonders geeignet. Diese Kontrollauflagen haben ihre Wirkung auf die Planungsphase. Zudem muss die Fondsverwaltung gegenüber der Kommission darlegen, wie sie mit der Stellungnahme des Gleichstellungsgremiums, z.B. des Landesfrauenrates, umgeht. Gleichstellungsgremien müssen im Begleitausschuss für die Strukturfonds vertreten sein und frühzeitig an der Planung der Operationellen Programme (OPs) beteiligt werden.
Grüner Erfolg der Strukturfondsreform ist auch, dass wir über festgeschriebene Mindeststandards die Beteiligung der Vertreter/innen der Zivilgesellschaft in Begleitausschüssen stärkt haben. In den OPs werden die Schwerpunkte und Maßnahmen des Einsatzes der Strukturfonds in dem jeweiligen Bundesland für die nächsten sieben Jahre festgelegt. Wo die Verwaltungen die Genderperspektive in den OPs ignorieren, müssen die Gleichstellungsgremien nachhaken, damit Gender Mainstreaming auch außerhalb des ESF wirksam wird.
Der Europäischen Sozialfond (ESF) ist der wichtigste Fonds für die Förderung der Gleichstellung zwischen Frau und Mann. Das EP-Verhandlungsteam, ein Frauenteam, hat für die neue ESF-Verordnung einen strikten Grundsatzparagrafen durchgesetzt. JEDER gewählte Schwerpunkt muss spezifische Aktionen zur Gleichstellung von Frauen beinhalten, mit dem Ziel, weibliche Armut zu bekämpfen, Genderstereotype abzubauen, Familie und Beruf vereinbar zu gestalten und die Gleichstellung bei der familiären Pflegearbeit zu erreichen. Allen Erfolgsindikatoren für den ESF muss eine geschlechterspezifische Statistik zugrunde gelegt werden. Darüber hinaus gibt es im ESF jetzt einen eigenen Schwerpunkt zur Bekämpfung der Benachteiligung von Frauen in allen Bereichen des Arbeitsmarktes, wie ungleiche Bezahlung, ungleiche Karrierechancen und indirekte Diskriminierung. In Zukunft sind damit auch Mentoringprogramme, Projekt für gleichberechtigte Bezahlung und zur Bekämpfung indirekter Diskriminierung förderfähig. Allerdings werden die Schwerpunkte wie in einem Menü von den Bundesländern ausgewählt und der Schwerpunkt zur Geschlechtergleichstellung hat keine große Lobby bei den Landesregierungen und der Bundesregierung und wird, wie die Entwürfe der OPs zeigen, häufig nicht gewählt. Die Gleichstellungserfolge in den neuen Verordnungen werden demnach auch in Zukunft nur Wirkung entfalten können, wenn sie von den Frauen massiv eingefordert werden.
Genderanalyse Bremen:
http://www.efre-bremen.de/sixcms/media.php/13/Endbericht_Gender_Mainstreaming.4140.pdf
Studie NRW über Gender Mainstreaming in den Strukturfonds 2014-2020: