EU-Urheberrechtsreform und Netzfeminismus

Schon seit Jahren versucht die EU, sich auf ein gemeinsames Urheberrecht für Europa zu einigen. Der Weg dahin ist jedoch holprig – und könnte dem freien Internet schaden.

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Wenn die Urheberrechtsreform so in Kraft tritt, wird es das Internet, was wir lieben gelernt haben nicht mehr geben.

Die letzte größere Reform auf EU-Ebene fand 2001 statt: Die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. 2001 ist schon etwas länger her: Internet gab es zwar schon, aber noch ohne Facebook, Youtube und Spotify. Google fing grade erst an, Napster führte das Filesharing in die Jugendzimmer ein und bereitete der Musik- und Filmindustrie ernsthaftes Kopfzerbrechen.

Was sind die wichtigsten Punkte der EU-Urheberrechtsreform?

 „Modern EU Copyright rules for European culture to flourish and circulate“, schreibt die EU auf ihrer Webseite. In der Kommunikation der EU liegt der Fokus vor allem auf der Schaffung eines EU-Binnenmarkts. So sollen Nutzer*innen in der EU Video- und Audioinhalte grenzüberschreitend anschauen können. Kund*innen von Streaming-Services sollten diese auch außerhalb des Landes, wo sie ihn gekauft haben, nutzen können. Außerdem soll durch die Reform der Zugang für Sehbehinderte verbessert, die Situation für Studierende und Lehrende erleichtert werden, damit sie Lehrmaterialen digital nutzen können, und vieles andere mehr.

So weit, so unkontrovers. Zwei Regelungen sind allerdings umstritten. Dabei geht es einmal um das Leistungsschutzrecht für Presseverleger und zum zweiten um die Haftung für Urheberrechtsverletzungen für Plattformen. Kritiker befürchten, dass die neuen Haftungsregeln direkt dazu führen, dass die Inhalteanbieter flächendeckend Uploadfilter installieren müssen. Beide Regelungen könnten Auswirkungen auf die Veröffentlichungs- und Meinungsfreiheit haben, die für viele das freie und offene Internet ausmacht.

Urheberrecht aus feministischer Sicht

An dieser Stelle befinden sich die Anschlusspunkte zu einer feministischen Kritik. Denn Urheberrecht scheint auf den ersten Blick wenig mit feministischen Fragen zu tun zu haben. Schaut man sich jedoch die Ein- und Ausschlüsse an, die im weltweiten System des geistigen Eigentums eingeschrieben sind, fällt auf, dass die Definition, was schützenswerte geistige Güter sind, sich entlang ganz bestimmter patriarchaler Normen bewegt. Die Rechtswissenschaftlerin Carys Craig beschreibt das damit, dass die grundlegenden Vorannahmen „der unabhängigen Schöpfung, das Konzept des schutzwürdigen Inhalts, das Festhalten an einer monetären Vergütung aus dem Stoff der romantischen Ästhetik geschnitten sind“, die wiederum grundlegend gegendert ist.

Feministische netzpolitische Analysen – das heißt ein feministischer Blick auf netzpolitische Themen wie Urheberrecht, Datenschutz, Internet Governance – sind rar gesät. Kathrin Ganz hat in ihrer Studie zur feministischen Netzpolitik 2013 Feminismus in seiner queer-feministischen Ausrichtung als ein emanzipatorisches Projekt definiert.

Er soll Nutzer*innen Möglichkeiten öffnen, sich an gesellschaftlichen Diskursen zu beteiligen, gleichberechtigt Machtpositionen einzunehmen und an der Verwertung – egal ob über Geld oder kulturelles Kapital – beteiligt zu werden. Dadurch kämpft er gegen Diskriminierung, Ausschlüsse, Unterdrückung und Gewalt. Aus dieser Agenda ergeben sich Gemeinsamkeiten mit einer zivilgesellschaftlichen Kritik an der EU-Urheberrechtsreform von netzpolitischen Initiativen, wie sie zum Beispiel von Wikimedia Deutschland, Netzpolitik oder Digitale Gesellschaft geäußert wurden.

Upload-Filter und Leistungsschutzrecht – eine Gefahr für das freie Netz?

Schauen wir uns die Regelung, die unter dem Stichwort „Upload-Filter“ geführt wird, genauer an. Es geht dabei um die Frage der Haftung für illegal hochgeladene Inhalte. Bisher müssen Plattformbetreiber wie Youtube, aber auch Wikipedia oder kleinere Anbieter von nutzergenerierten Inhalten, diese erst von ihrer Plattform nehmen, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Mit dem neuen Artikel 13 der Reform wären sie dazu gezwungen, solche Inhalte vorher schon abzufangen – oder im Vorfeld teure Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhabern abzuschließen. Ersteres geht aber nur durch ein automatisiertes System – also Upload-Filter –, zweites ist gerade für kleine Anbieter prohibitiv teuer.

Upload-Filter existieren schon – und werden auch eingesetzt. Allen voran Youtubes Content-ID-System. Dabei scannt Youtube alle hochgeladenen Inhalte und entscheidet dann, ob der Inhalt urheberrechtlich geschützt ist. Die Rechteinhaber können bei Youtube hinterlegen, was dann geschehen soll: Soll der Inhalt ganz gesperrt werden; darf er veröffentlicht, aber über Werbung monetarisiert werden?

Das Problem dabei ist, dass Content ID nicht unterscheiden kann zwischen legitimer Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten wie etwa Zitaten, freier Benutzung oder Satire und urheberrechtlich relevanter – wo die Rechteinhaber tatsächlich ein Schutzrecht einfordern können. Zudem wären kleine Anbieter darauf angewiesen, solche Filtersysteme von großen Firmen zu lizenzieren – nicht jeder kann so etwas selbst entwickeln.

Die Befürworter der Regelung entgegnen, dass es Beschwerdemöglichkeiten geben soll, damit sich Nutzer*innen gegen unrechtmäßige Sperrungen wehren können. Aber schon jetzt sperrt Youtubes Content-ID-System Inhalte unrechtmäßig – Beschwerden von Nutzer*innen verpuffen. So merkt das System offensichtlich nicht, dass eine Beethoven-Aufnahme, die schon vor mehr als 70 Jahren entstanden ist und auf der also keine Schutzrechte mehr liegen, frei zugänglich sein müsste.

Bei den Leistungsschutzrechten für Presseverleger (Artikel 11 der EU-Urheberrechtsreform), die es in Deutschland schon seit 2013 gibt und die über die Reform EU-weit eingeführt werden sollen, gilt ähnliches: Auch hier besteht die Gefahr, dass sie die Kommunikationskultur im Netz einschränken könnten, sollten sie so in Kraft treten. Dabei wollen Verlage von Presseerzeugnissen – wie Magazine, Tageszeitungen und andere journalistische Produkte –, dass Suchmaschinen und Aggregatoren, die selbst keine journalistischen Inhalte erstellen, aber vorhandene sammeln und zugänglich machen, für diese Leistung bezahlen. Dabei geht es vor allem um die Nutzung von Links, Überschriften und kurzen Zusammenfassungen (sogenannten Snippets).

Trotz des Gesetzes hat dies in Deutschland nicht geklappt – Google (und um Google geht es hier hauptsächlich) hat mit den meisten Presseverlegern Vereinbarungen getroffen, dass sie ihre Inhalte kostenlos hergeben. In Spanien, wo ebenfalls ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger existiert, hat Google sein Angebot „Google News“ eingestellt, weil eine solche Einigung nicht möglich war.

Die Befürchtung ist, dass wenn ein solches Recht EU-weit eingeführt wird, auch andere, kleinere Anbieter unter dieses Gesetz fallen und abgemahnt werden können, wenn sie auf Inhalte aus Presseerzeugnissen verweisen. Im besten Falle bleibt diese Regelung nutzlos, sorgt aber für Verunsicherung und Selbstzensur.

Wie geht es weiter mit der EU-Urheberrechtreform?

Mitte Februar 2019 endeten die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament. Darin sind sowohl Uploadfilter als auch das Presseleistungsschutzrecht enthalten. Noch ist die Richtlinie nicht beschlossen, denn das EU-Parlament und der Rat muss abschließend darüber abstimmen.

Julia Reda, Abgeordnete im Europäischen Parlament für die Fraktion „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“ und sehr aktiv in den Diskussionen über das EU-Urheberrecht, hat auf ihrer Webseite eine Einordnung zum Entwurf und wie es dazu gekommen ist veröffentlicht: „Dieses Gesetz wird das Internet, wie wir es kennen, grundlegend verändern – wenn es denn in der finalen Abstimmung angenommen wird. Das können wir aber immer noch verhindern!“